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Fehlgeschlagener Versuch einer Nachbesserung - Kritische Anmerkungen zu den neuen Banken-AGB (Westphalen, ZIP 2022, 2153)

An dieser Stelle hat bereits Rodi (ZIP 2022, 1583 – Postbank-Modell) zu den neu gefassten AGB der „Postbank“ Stellung genommen, welchen ja das aufsehenerregende Urteil des BGH v. 27.4.2021 – (BGH v. 27.4.2021 – XI ZR 26/20, ECLI:DE:BGH:2021:270421UXIZR26.20.0, ZIP 2021, 1262 = EWiR 2021, 483 (Berger/Nettekoven)) galt. Daran soll hier angeknüpft werden. Die vom Bundesverband Deutscher Banken nach diesem Urteil neu entworfenen AGB (Nr. I, 1 Abs. 2 – „Änderungen“) sollen kritisch auf ihre Übereinstimmung mit § 307 BGB geprüft werden, vor allem im Blick auf ihre Beachtung des in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltenen Transparenzgebots. Daher sollen zunächst kurz die wesentlichen, hier interessierenden Grundaussagen dieses Gebots dargestellt werden (sub Ziff. I), um dann in einem zweiten Teil die einzelnen neu geschaffenen AGB-Klauseln Schritt für Schritt unter die Lupe zu nehmen (sub Ziff. II – V).

I. Wesentliche Aussagen des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)
1. Allgemeine Aussage
II. Problemaufriss der zu beurteilenden ABG
1. Schweigen als Zustimmungsfiktion
2. Ausschluss der Zustimmungsfiktion
3. Kündigungsrecht des Kunden
III. Beachtung des Transparenzgebots
1. Interpretation der Klauseln in Nr. I, 1 Abs. 2 lit. c) und d)
a) Maßgeblichkeit des Wortlauts
b) Zwei Auslegungsalternativen
c) Kundenfeindlichste Auslegung
d) Anwendung des Transparenzgebots
e) Zwischenfazit
2. Interpretation der Klausel Nr. I, 1 Abs. 2 lit. b) und d)
a) Maßgeblichkeit des Wortlauts
b) Auslegungsfragen
c) Verstoß gegen das Transparenzgebot
d) Verstoß auch gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
e) Zwischenfazit
IV. Erste Kontrollerwägung
1. Intransparenz der Regeln von Nr. I, 1 Abs. 2 lit. d) im Einzelnen
a) Begriff der „Hauptleistungspflichten“
b) Begriff der „Entgelte“, die „über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehen“
c) Verschiebungen der Äquivalenz
d) Zwischenfazit
V. Zweite Kontrollerwägung
1. Herstellung der Übereinstimmung der Klausel mit einer geänderten Rechtslage
a) Unwirksamkeitssanktion des § 306 Abs. 2 BGB
aa) Ersetzung durch dispositives Recht
bb) Konsequenz: Intransparenz
cc) Ergänzende Vertragsauslegung nach § 306 Abs. 2 BGB
VI. Gesamtergebnis


I. Wesentliche Aussagen des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)

1. Allgemeine Aussage

Die Rechtsprechung des BGH ist sehr eindeutig: Der AGB-Verwender ist verpflichtet, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners – hier: eines Verbrauchers – möglichst klar, einfach und präzise darzustellen. Die aufgestellten Regeln müssen durchschaubar sein. Daraus leitet die Judikatur den Grundsatz ab: Der AGB-Verwender ist nach den Geboten von Treu und Glauben verpflichtet, die jeweiligen Rechte und Pflichten des Vertragspartners sowie die nach dem Inhalt der Klausel – und im Kontext mit dem übrigen Klauselwerk – zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen zu lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Anders gewendet: Der Verwender muss seine AGB so klar und verständlich formulieren, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und auch die daran geknüpften Rechtsfolgen so genau beschrieben sind, dass für ihn „keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen“. Dabei ist auf die Erkenntnis- und Erwartungsmöglichkeiten eines durchschnittlichen Kunden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen. Dieser wird auch noch als „juristisch nicht vorgebildet“ qualifiziert. Auch ist im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu unterstreichen, dass es dem AGB-Verwender – wegen des gegen ihn gerichteten Täuschungsverbots – nicht freisteht, die Rechtslage fehlerhaft darzustellen.

Zugrunde liegt hier – wie in allen Fällen der richterlichen Inhaltskontrolle – stets das Ergebnis der jeweiligen Auslegung der Klausel, die sich nach § 305c Abs. 2 BGB richtet. Danach sind AGB-Klauseln nach ihrem objektiven Inhalt und ihrem typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie „sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden“. Ausgangspunkt für eine solche Auslegung ist regelmäßig, dass bei der Auslegung der Klausel Zweifel bestehen, weil sie mehrdeutig ist. Das führt dann in gerader Linie zu einer Auslegung gegen den Verwender. Diese setzt als erstes an dem verwendeten Wortlaut der Klausel an. Ergeben sich bei einer nach diesen Grundsätzen vollzogenen Auslegung zwei – alternative – Auslegungsergebnisse, dann entspricht es einer eisernen Regel, dass dann das Prinzip der „kundenfeindlichsten“ Auslegung in Stellung zu bringen ist: Es besteht dann die Pflicht, die Variante der Auslegung der richterlichen Inhaltskontrolle – und damit auch dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB – zugrunde zu legen, welche für den Kunden deshalb die „günstigste“ ist, weil sie die Unwirksamkeit der betreffenden (mehrdeutigen) Klausel nach sich zieht.

II. Problemaufriss der zu beurteilenden ABG
Ausgangspunkt der Neugestaltung dieses Abschnitts der AGB ist die nach den §§ 145 ff. BGB selbstverständliche Feststellung, dass „die von der Bank angebotenen Änderungen nur dann wirksam werden, wenn der Kunde diese annimmt“. Dann folgen in Nr. I, 1 Abs. 2 lit. c) bis f) drei Grundkategorien: Schweigen als Zustimmungsfiktion, Ausschluss der Zustimmungsfiktion und schließlich das Kündigungsrecht der Bank in den Fällen, in denen eine Zustimmungsfiktion eingreift.

1. Schweigen als Zustimmungsfiktion
Die hier zu behandelnden Muster-AGB lassen, wie gesagt, im Blick auf das Zustimmungserfordernis des Kunden zu geänderten AGB ein dreigliedriges Muster erkennen. Als erstes werden die Konstellationen erfasst, bei deren Vorliegen eine Zustimmungsfiktion des Kunden i.S.v. § 308 Nr. 5 BGB eingreift. In diesen Fällen knüpft die Bank als AGB-Verwenderin an ein „Schweigen“ des Kunden an, etwa dann, wenn eine „Änderung von Gesetzen“ oder „unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften der Europäischen Union“ vorliegt und so eine Änderung der Rechtslage eintritt und die betreffende AGB „nicht mehr der Rechtslage entspricht“. Das gleiche soll dann gelten, wenn eine „rechtskräftige gerichtliche Entscheidung“ ergeht, so dass die betreffende AGB-Klausel „unwirksam“ ist „oder nicht mehr verwendet werden darf“. In diesen Fällen setzt die Bank für das Eingreifen einer Zustimmungsfiktion logischerweise weiterhin voraus, dass der Kunde das „Änderungsangebot“ nicht schon vor dessen Wirksamwerden „abgelehnt hat“. Schließlich sichert die Bank als AGB-Verwenderin zu, dass sie den Kunden „im Änderungsangebot auf die Folgen seines Schweigens hingewiesen“ hat.

2. Ausschluss der Zustimmungsfiktion
Diese Fälle sind dadurch charakterisiert, dass erneut eine Abänderung der in Nr. I, 1 Abs. 2 der Banken-AGB behandelten einseitigen Änderungsbefugnis der Bank oder eine Änderung des von der Bank für ihre Dienstleistungen geforderten Entgelts in Rede steht, was im Übrigen auch entsprechend für die vielfältigen Sonderbedingungen der Bank gilt. Erwähnt wird dann auch, dass eine Zustimmungsfiktion – ausgehend von dem Schweigen des Kunden – in den Fällen ausgeschlossen sein soll, wenn eine Änderung der „Hauptleistungspflichten“ der Bank angestrebt wird, einschließlich der Änderungen der für die Erbringungen dieser Hauptleistungen zu fordernden Entgelte. Anschließend werden drei weitere Konstellationen erwähnt: Zum einen „Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrages gleichkommen“, aber auch „Änderungen, die das bisher vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zugunsten der Bank verschieben“ würden. Eine Zustimmungsfiktion des Kunden soll – drittens – auch dann entbehrlich sein, wenn „Änderungen von Entgelten“ in Rede stehen, „die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehend Zahlung des Verbrauchers gerichtet sind“. Am Ende dieses Abschnitts heißt es dann: „In diesen Fällen wird die Bank die Zustimmung zu den Änderungen auf andere Weise einholen“.

3. Kündigungsrecht des Kunden
Für die Fälle einer Zustimmungsfiktion i.S.d. § 308 Nr. 5 BGB ist ergänzend vorgesehen, dass der Kunde die jeweilige Änderung der AGB „vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen“ fristlos und kostenfrei kündigen kann. Abschließend ist dann zu lesen: „Auf dieses Kündigungsrecht wird die Bank den Kunden in ihrem Änderungsangebot besonders hinweisen“.

III. Beachtung des Transparenzgebots

1. Interpretation der Klauseln in Nr. I, 1 Abs. 2 lit. c) und d)

a) Maßgeblichkeit des Wortlauts

Als erstes stellt sich die Frage, ob denn eine trennscharfe und eindeutige Differenzierung zwischen den Fällen vorgenommen wurde, in denen eine Zustimmungsfiktion des Kunden – anknüpfend an sein Schweigen – eingreift und denen, welche eine solche Zustimmungsfiktion ausdrücklich ausschließen. Problematisch könnte hier ausgehend von...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.11.2022 11:01
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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