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Die Gesellschafterstruktur der GmbH & Co. KG aus der Perspektive der Digitalen Rechtstatsachenforschung (Bartlitz/Bohnert, ZIP 2022, 1244)

Nach weit verbreiteter Auffassung weist die Gesellschaftsform der GmbH & Co. KG typischerweise eine Gesellschafterstruktur auf, nach welcher der KG als einziger Komplementär eine GmbH angehöre, während es sich bei den übrigen Gesellschaftern allesamt um Kommanditisten handle. Mithilfe der wissenschaftlichen Methode der Digitalen Rechtstatsachenforschung spürt die vorliegende Untersuchung der Frage nach, inwiefern diese Typizitätsannahme zu halten ist, und zeigt auf, welche rechtlichen Schlussfolgerungen aus empirischen Erkenntnissen über die Gesellschafterstruktur abgeleitet werden können.


I. Einführung

II. Methode

1. Digitale Rechtstatsachenforschung

2. Datenerhebung

III. Empirische Daten

IV. Sinn der Haftungsbeschränkungskennzeichnung

V. Anreize zur Wahl atypischer Strukturen

VI. Fazit


I. Einführung

Die Sonderform der GmbH & Co. KG erfreut sich in Deutschland äußerst großer Beliebtheit, firmieren doch nahezu 200.000 (Stand: August 2021) im Handelsregister eingetragener Kommanditgesellschaften (sinngemäß) als „GmbH & Co. KG“. Grund für die große Beliebtheit dieser KG-Sonderform ist die Kombination mehrerer im Rechtsverkehr als attraktiv wahrgenommener Charakteristika des KG-Rechts auf der einen Seite (insb. kaum eingeschränkte Privatautonomie, einfache Kapitalerhöhung durch bloßen Eintritt, steuerrechtliche Transparenz) und des GmbH-Rechts auf der anderen Seite (insb. fehlende Gesellschafterhaftung, Möglichkeit der Fremdorganschaft, Zweckoffenheit). Die Zulässigkeit der Gestaltung der GmbH & Co. KG wurde in der Rechtsgeschichte lange Zeit bezweifelt – besonders einprägsam die Charakterisierung als „juristisches Monstrum“ von Holdheim –, ist allerdings seit einer Aufsehen erregenden Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 19223 juristischer Mainstream und steht angesichts der impliziten Anerkennung der GmbH & Co. KG durch den Gesetzgeber (statt vieler § 19 Abs. 2, § 172 Abs. 6, § 264a HGB, § 19 Abs. 3 InsO, § 4 MitbestG) heute gänzlich außer Zweifel.

Kaum thematisiert worden sind bislang indes die rechtlichen Implikationen, die mit der konkreten Gesellschafterstruktur einer GmbH & Co. KG verbunden sind. Gemeint sind die rechtlichen Fragen, deren Beantwortung mit dem tatsächlichen Umstand verbunden ist, wer in einer konkreten GmbH & Co. KG als Komplementär, wer hingegen als Kommanditist fungiert. Zu denken sei an die gesellschaftsrechtlichen Fragen nach dem Haftungsumfang (§ 161 Abs. 2, § 128 HGB oder § 13 Abs. 2, § 5 Abs. 1 GmbHG) oder der Ersetzbarkeit (einvernehmliche Rechtsnachfolge bzw. Beitritt oder schlichter Wechsel des Gesellschafters) des betrachteten Gesellschafters und der Auflösbarkeit der Gesellschaft (§ 161 Abs. 2, § 131 Abs. 1 HGB oder zusätzlich § 131 Abs. 2 HGB), ferner an die handelsrechtlichen Fragen des Umfangs der Rechnungslegungspflichten (wie Einzelkaufleute nach §§ 238 ff. HGB oder wegen § 264a HGB wie Kapitalgesellschaften zusätzlich nach §§ 264 ff. HGB) und steuerrechtliche Fragen (u.a. nach dem Vorliegen von Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Die Beantwortung dieser rechtlichen Fragen zieht wiederum ökonomische Fragen nach sich, etwa die nach der Bildung von Rückstellungen und dem Abschluss von Versicherungen (Haftungsrisiken), nach dem betriebswirtschaftlichen Aufwand (Gesellschaftsvertragsgestaltung, Kosten der Rechnungslegung) und der Bemessung des betriebswirtschaftlichen Ertrags (Besteuerung). Die Gesellschafterstruktur einer GmbH & Co. KG – konkret: das Wesen ihrer Gesellschafter – weist also in mehrfacher Hinsicht hohe rechtliche und ökonomische Relevanz auf. Bereits aus diesem Grund allein erscheint eine sorgfältige empirische Analyse der Gesellschafterstruktur als außerordentlich lohnend.

Indes hat sich offenbar nicht nur unter juristischen Laien, sondern auch in der Fachöffentlichkeit inzwischen die Vorstellung durchgesetzt, eine als „GmbH & Co. KG“ firmierende Gesellschaft zeichne sich stets dadurch aus, dass alleiniger Komplementär der KG ein Rechtssubjekt in der Rechtsform einer GmbH sei, während die übrigen Gesellschafter allesamt die (bloße) Stellung eines Kommanditisten innehätten.

Mitunter werden aus dieser Sichtweise gar weitreichende haftungsrechtliche Schlussfolgerungen gezogen. Soweit diese Sichtweise überhaupt begründet wird, stellt man in der Regel darauf ab, dass eine solche Gesellschafterstruktur (einziger Komplementär: GmbH; übrige Gesellschafter: Kommanditisten) für die GmbH & Co. KG geradezu typisch sei.

Allerdings stellt sich die Frage, ob (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.06.2022 10:34
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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