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OLG Köln v. 6.5.2021 - 18 U 133/20

OLG Köln zur Verpflichtung eines Aktionärs, der Auflösung einer Gesellschaft zuzustimmen

Zur Verpflichtung des einzelnen Aktionärs, der Auflösung einer Gesellschaft zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist. Stellt sich die Lage einer Gesellschaft in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose bei Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte bei einer Verzögerung der Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden, kann sich wegen der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte die Stimmrechtsausübung durch einen ablehnenden Aktionär als rechtsmissbräuchlich erweisen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Frage, ob ein gefasster Beschluss über die Auflösung einer Aktiengesellschaft wirksam und rechtmäßig gewesen ist.

Trotz der Ablehnung der Klägerin stellte der Versammlungsleiter den Beschluss als angenommen fest, da er die Gegenstimmen der Klägerin als treuwidrig bewertete und daher bei der Stimmauszählung nicht berücksichtigte.

Die Klägerin wollte die Nichtigkeit dieses Beschlusses gerichtlich feststellen lassen, das LG wies die Klage jedoch ab. Das OLG hat nun auch die Berufung zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Der festgestellte Auflösungsbeschluss ist nicht wegen eines angeblichen Verstoßes gegen § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG anfechtbar. Der Auflösungsbeschluss ist mit der erforderlichen Stimmenmehrheit von drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals gefasst worden. Der zugrunde liegende Standpunkt des LG, die Klägerin habe bei ihrer Stimmabgabe treuwidrig gehandelt, so dass das von ihr vertretene Grundkapital und ihre Stimmen bei der Feststellung des gefassten Auflösungsbeschlusses nicht zu berücksichtigen gewesen seien, ist zutreffend.

Zwar sind Aktionäre in ihrem Abstimmungsverhalten grundsätzlich frei und eine Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit bleibt auf Ausnahmefälle beschränkt. Die an eine solche Beschränkung der Stimmrechtsausübungsfreiheit zu stellenden Anforderungen hat der BGH in einer zum GmbH-Recht ergangenen Entscheidung konkretisiert, deren Grundsätze auch auf Aktiengesellschaften übertragbar sind (BGH v. 12.4.2016 - II ZR 275/14).

Im Einklang mit den strengen Kriterien des BGH ist die Annahme einer Verpflichtung des einzelnen Gesellschafters, der Auflösung der Gesellschaft zuzustimmen bzw. sie nicht durch Ablehnung zu verhindern, dann möglich, wenn die Erreichung des Gesellschaftszwecks dauerhaft unmöglich geworden ist und die Ablehnung der Auflösung durch den Gesellschafter rechtsmissbräuchlich erscheint.

So liegt der Fall hier: Nach den Feststellungen des LG ist die Fortführungs- und Ertragsprognose der Beklagten negativ und noch vorhandene Vermögenswerte werden unweigerlich abschmelzen. Die Beklagte, deren Auftragslage seit dem Jahr 2012 stark rückläufig ist und die trotz entsprechender Bemühungen in ihrem satzungsmäßigen Geschäftsfeld seit mehreren Jahren keine Neugeschäfte mehr hat generieren können, hat ihren Betrieb faktisch eingestellt. Dies hat zur Folge, dass der Wert der Aktien nachhaltig negativ ist und ein Markt, auf dem die Aktionäre ihr Desinvestitionsinteresse realisieren könnten, nicht existiert.

Dann greift eine Pflicht des einzelnen Aktionärs zur Erhaltung geschaffener Vermögenswerte, die im Fall von eindeutig negativer Fortführungs- und Ertragsprognose auch dadurch erfolgen kann, dass mit der Entscheidung zugunsten der Auflösung etwaige verbliebene Barmittel der Gesellschaft zum Zwecke der Liquidation genutzt werden sollen, während sie ohne Liquidation bei einer Gesellschaft ohne positive Fortführungs- oder Ertragsprognose nach und nach abschmelzen und sinnlos vernichtet werden würden. Mit der angestrebten Erhaltung von Vermögenswerten einher geht zugleich eine Vermeidung von Verlusten jedenfalls dann, wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (noch) eine Auskehrung i.S.d. § 271 Abs. 1 AktG in Betracht kommt und ein Zuwarten den Auskehrungserlös verringern oder einen Anspruch gänzlich vereiteln würde.

Vor diesem Hintergrund stellte sich die Lage der Beklagten in Ermangelung einer realistischen Fortführungs- und Ertragsprognose im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung so dar, dass etwaig vorhandene Vermögenswerte der Beklagten bei einer Verzögerung einer Auflösung und Liquidation weiter abschmelzen und sinnlos aufgezehrt würden. Aufgrund der damit letztlich drohenden Verschlechterung der Zerschlagungswerte stellt sich die Stimmrechtsausübung der Klägerin als rechtsmissbräuchlich dar.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.06.2021 14:36
Quelle: Justiz NRW online

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