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EU: Stärkung der europäischen Sicherheit durch verbessertes Screening ausländischer Direktinvestitionen

Am 19.10.2023 hat die EU-Kommission ihren neuesten Screening-Bericht über die im letzten Jahr getätigten ausländischen Direktinvestitionen vorgelegt. Rechtliche Grundlage ist die Screening-VO vom 19.3.2019 (VO (EU) 2019/452), welche mit Wirkung vom 11.10.2020 in Kraft getreten ist. Diese soll, so sagt es Erwägungsgrund Nr. 5, einen „umfassenden Rechtsrahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen schaffen“, sich über deren Sicherheit vergewissern und so eine durch die Direktinvestitionen veranlasste Störung der öffentlichen Ordnung vermeiden. Hierfür ergibt sich die ausschließliche Zuständigkeit der EU aus der Aufgabenstellung, nach Art. 3 Abs. 1 lit. a AEUV für eine „gemeinsame Handelspolitik“ Sorge zu tragen. Ziel ist insoweit eine „unionsweite Koordinierung und Zusammenarbeit bei der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen“ (Erwägungsgrund Nr. 7 – Art. 1 Abs. 1).

Aus dem jetzt von der Kommission vorgelegten Jahresbericht ist zu entnehmen, dass inzwischen 21 Mitgliedstaaten einen entsprechenden Überprüfungs-Mechanismus in ihr nationales Recht integriert haben. Mehr als 420 Direktinvestitionen sind laut diesem Bericht auf Basis der Screening-VO überprüft worden. Mit einigem Stolz stellt die Kommission fest, dass sie 87 % der ihr gemeldeten Direktinvestitionen innerhalb einer Frist von zwei Wochen erledigt hat („no delays to authorisations by Member States“). In nur 3 % der Meldungen kam es zu Beanstandungen. Wichtig ist, dass die Rangliste der Länder, welche über die in ihrem Territorium ansässigen Unternehmen Direktinvestitionen getätigt haben, an der Spitze die USA und Großbritannien anführen, gefolgt von China und Japan; diese Länder liegen jedoch noch vor den Cayman Islands und Kanada. Die unbeanstandet durchgeführten Direktinvestitionen betreffen mit 59 % die Fertigungsindustrie, und dabei so unterschiedliche Sektoren wie den Energiebereich, die Flugzeugindustrie, die Verteidigung und auch das Gesundheitswesen.
Art. 4 dieser Screening-VO listet die einzelnen Faktoren, welche im Zusammenhang mit der Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen und der von diesen ausgehenden „potenziellen Auswirkungen“ von den Mitgliedstaaten sowie von der Kommission beachtet werden müssen, weil sie „voraussichtlich die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung beeinträchtigen“. Es sind dies nach Abs. 1 lit. a: „kritische Infrastrukturen physischer oder virtueller Art, einschließlich Energie, Verkehr, Wasser, Gesundheit, Kommunikation, Medien, Datenverarbeitung oder -speicherung, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Wahl- oder Finanzinfrastrukturen und sensible Einrichtungen sowie Investitionen in Grundstücke und Immobilien, die für die Nutzung dieser Infrastrukturen von entscheidender Bedeutung sind“.
Von großer praktischer Wichtigkeit ist, dass sich die Screening-VO auch auf alle Güter bezieht, welche als „dual use“ bewertet werden. Nach dem einschlägigen Definitionsmuster von Art. 2 Nr. 1 der VO (EG) Nr. 428/2009 sind dies „Güter, einschließlich Datenverarbeitungsprogramme und Technologie, die sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke verwendet werden können“. Dabei ist jedoch deutlich hervorzuheben, dass die Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 lit. b der Screening-VO den Tatbestand des „dual use“ auf weitere wirtschaftliche Sektoren ausdehnt, nämlich: auf „künstliche(r) Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien sowie Nanotechnologien und Biotechnologien“.
In ihrem am 19.10.2023 unterbreiteten Screening-Jahresbericht weist die Kommission darauf hin, dass die Mitgliedstaaten im Jahr 2021 immerhin 38.500 Anträge auf Ausfuhrgenehmigung für „Dual use“-Güter gestellt haben, was einem Warenwert von 45,5 Mrd. € entspricht. In 560 Fällen wurde die Genehmigung verweigert (7 Mrd. €).
Es liegt auf der Hand, dass eine ausländische Direktinvestition vor allem dann kritisch ist, wenn ein ausländischer Staat sich hinter einem Investor „versteckt“. Daher bestimmt Art. 4 Abs. 2 der Screening-VO, dass eine solche direkte oder auch indirekte Beteiligung „von Regierungen, einschließlich staatlicher Stellen oder der Streitkräfte eines Drittstaats“ besonders im Rahmen der nach der Screening-VO vorgesehenen Sicherheitsprüfung zu berücksichtigen ist. Diese Sicht wird dann in Art. 4 Abs. 2 lit. c der VO zwangsläufig auch auf ausländische Investoren ausgedehnt, sofern diese „an illegalen oder kriminellen Aktivitäten beteiligt“ sind.
Um eine möglichst effiziente Überprüfung kritischer ausländischer Investitionen zu gewährleisten, ist, was noch zu erwähnen ist, eine umfassende Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission vorgesehen. Danach ist ein Mitgliedstaat, der eine ausländische Direktinvestition überprüfen will, verpflichtet, dies sowohl den anderen Mitgliedstaaten als auch der Kommission zu notifizieren (Art. 6 Abs. 1 der Screening-VO). Ist die Kommission der Ansicht, dass eine bestimmte – bereits gemeldete – Direktinvestition Sicherheit oder öffentliche Ordnung in mehr als einem Mitgliedstaat beeinträchtigen könnte, dann kann sie nach Art. 6 Abs. 3 der VO eine entsprechende Mitteilung an den zuständigen Mitgliedstaat richten, der diese dann bei der betreffenden Überprüfung zu beachten hat.
Mit einiger Genugtuung schließt die Kommission ihren Jahresbericht mit der Bemerkung, Mitgliedstaaten und Kommission hätten bei der Beachtung ihrer Überprüfungspflichten von ausländischen Direktinvestitionen ein „klares Bekenntnis“ („clear commitment“) für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und öffentlicher Ordnung in Europa in „Zeiten geopolitischer Spannungen“ unter Beweis gestellt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.10.2023 14:55
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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