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EuGH: Tod des Co-Piloten kein außergewöhnliches Ereignis

Diese Überschrift könnte fast ein wenig zynisch anmuten, doch sie ist das – rechtmäßige – Ergebnis der Entscheidung des EuGH, Urt. v. 11.5.2023 – verb. C-156/22 - 158/22 – TAP Portugal. Danach ist der überraschende Tod eines Co-Piloten kein Grund i.S.v. Art. 5 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechte-VO), der die Luftfahrtlinie davon dispensieren könnte, eine Ausgleichszahlung für den Ausfall des gebuchten Flugs zu entrichten. Es ging um einen Flug von Stuttgart nach Lissabon; um 6.05 Uhr sollte der Flug planmäßig starten. Doch kurz nach vier Uhr fand man den Co-Piloten tot in seinem Hotelzimmer.

Flightright und Myflyright klagten vor dem LG Stuttgart für ihre Kunden Ausgleichszahlungen ein. Doch das Gericht setzte das Verfahren aus und wollte vom EuGH wissen, ob es sich um ein „außergewöhnliches Ereignis“ (Art. 5 Abs. 3 der VO) handelt, zumal der verstorbene Co-Pilot ständig die erforderlichen medizinischen Checks durchgeführt und auch bestanden hatte. Ein außergewöhnliches, haftungsbefreiendes Ereignis im Sinne dieser Vorschrift liegt, so ließ der Gerichtshof wissen, immer dann vor, wenn es trotz aller zumutbaren Gegenmaßnahmen unvermeidbar war. Doch im Blick auf den von der Verordnung angestrebten hohen Verbraucherschutz räsoniert der EuGH, dass ein Luftfahrtunternehmen „für gewöhnlich bei der Ausübung“ seiner Tätigkeit „mit der unerwarteten Abwesenheit eines oder mehrerer für die Durchführung des Fluges unverzichtbaren Besatzungsmitglieder aufgrund von Krankheit und Tod konfrontiert sein“ kann (Rz. 22). Insoweit sieht der Gerichtshof keinen markanten Unterschied, ob ein unverzichtbares Besatzungsmitglied erkrankt oder durch seinen plötzlichen Tod ausfällt (Rz. 23). Und dass der Co-Pilot sich ständig medizinisch untersuchen ließ, führt in den Augen der Luxemburger Richter nur zu der etwas seltsam anmutenden Folgerung: „Jede Person kann, auch wenn sie regelmäßige medizinische Untersuchungen erfolgreich bestanden hat, jederzeit unerwartet erkranken oder versterben“ (Rz. 24).

Damit ist – das ist dann der Urteilsausspruch – Art. 5 Abs. 3 dieser VO dahin auszulegen, „dass die unerwartete Abwesenheit eines für die Durchführung eines Fluges unverzichtbaren Besatzungsmitglieds aufgrund von Krankheit oder Tod, die kurz vor dem planmäßigen Abflug eintritt, nicht unter den Begriff ‚außergewöhnliche Umstände‘ im Sinne dieser Vorschrift fällt“.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.05.2023 09:12
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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