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LG Düsseldorf v. 24.3.2023 - 38 O 92/22

Zu den Anforderungen an Werbung mit umweltbezogenen Begriffen

Lenkt der Unternehmer in seiner kommerziellen Kommunikation die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf bestimmte, seiner Sphäre zuzuordnende Umstände, von denen der Verbraucher typischerweise keine (nähere) Kenntnis hat, ist von dem Unternehmer zu erwarten, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Werbeaussage prüfen und ihre Bedeutung einschätzen zu können. Das gilt auch und gerade dann, wenn umweltbezogene Begriffe verwendet werden.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Teil des Energiekonzerns TotalEnergies SE. Sie ist mit dem Vertrieb von Heizöl in Deutschland befasst und unterhält die Internetpräsenz heizoel.totalenergies.de. Dort hatte sie im Februar 2022 auf der Unterseite „produkte/CO2-kompensiertes-heizoel/“ für ihr Erzeugnis „Premium Heizöl thermoplus CO2 kompensiert“ geworben. Unter der Überschrift „Was ist CO2 kompensiertes Heizöl?“ fand sich folgende Erläuterung:

„Wenn Sie als Betreiber einer Ölheizung besondere Verantwortung für den Klimaschutz übernehmen möchten, sollten Sie auf unser Premiumheizöl thermoplus CO2 kompensiert zurückgreifen. Das bei der Verbrennung ausgestoßene CO2 wird an anderer Stelle mit Hilfe von Klimaschutzprojekten in gleicher Höhe kompensiert. Somit halten Sie die Belastung für die Umwelt so gering wie möglich und können Ihren Heizölbedarf klimaneutral stellen. Der Kreislauf ist wieder geschlossen.“

Der Kläger, der in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen ist, hielt die Erläuterungen auf der Internetseite für unzureichend und irreführend und mahnte die Beklagte vergeblich ab. Mit seiner Klage begehrte er neben der Unterlassung Ersatz einer Abmahnpauschale nebst Rechtshängigkeitszinsen. Das LG hat der Klage stattgegeben.

Die Gründe:
Die Beklagte hat es zu  unterlassen, Heizöl als „CO2 Kompensiertes Heizöl“ zu bewerben, wenn dazu die im Februar 2022 unter „heizoel.totalenergies.de/produkte/CO2-kompensiertes-heizoel/“ abrufbare Internetdarstellung genutzt wird.

Die geschäftlichen Handlungen waren gem. § 5a Abs. 1 UWG unlauter. Ob die angegriffene geschäftliche Handlung dem Wortsinn nach „irreführend“ ist, also bei dem Verkehr eine Fehlvorstellung hervorruft oder hervorrufen kann, ist für die Frage, ob die Handlung nach § 5a Abs. 1 UWG unlauter ist, ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.2020 – I ZR 96/19). Daran hat die Änderung des Wortlautes bei der zum 28.5.2022 in Kraft getretenen Überführung von § 5a Abs. 2 S. 1 UWG a.F. („Unlauter handelt, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält […]“) in § 5a Abs. 1 UWG n.F. („Unlauter handelt auch, wer einen Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer irreführt, indem er ihm eine wesentliche Information vorenthält […]“) nichts geändert.

Informationen dazu, wie und in welchem Umfang die in der angegriffenen Darstellung beworbene Kompensation von Kohlenstoffdioxid umgesetzt wird, sind wesentlich i.S.v. § 5a Abs. 1 UWG. Aus der Verwendung der Werbeaussagen zur Kompensation und der von der Beklagten potentiellen Interessenten versprochenen „Möglichkeit, gegen einen Aufpreis von nur 1 Cent pro Liter [i]hren kompletten Heizölbedarf klimaneutral zu stellen“, folgt ferner die berechtigte Erwartung der Verbraucher, diejenigen Informationen bereitgestellt zu erhalten, die erforderlich sind, um die sachliche Rechtfertigung dieser Werbeaussage nachvollziehen und die Bedeutung der Tatsachen, die ihr zugrunde liegen, für die zu treffende geschäftliche Entscheidung einordnen zu können. Lenkt der Unternehmer – wie das die Beklagte getan hat – in seiner kommerziellen Kommunikation die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf bestimmte, seiner Sphäre zuzuordnende Umstände, von denen der Verbraucher typischerweise keine (nähere) Kenntnis hat, ist von dem Unternehmer zu erwarten, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Werbeaussage prüfen und ihre Bedeutung einschätzen zu können. Das gilt auch und gerade dann, wenn umweltbezogene Begriffe verwendet werden.

Der Verweis der Beklagten auf die Kürze und Knappheit der Informationen, die der Verbraucher andernorts zu CO2 Kompensation finden kann, und den Umfang der Verifizierungsunterlagen für die unterstützten Klimaschutzprojekte stand dieser Einschätzung nicht entgegen. In diesem Sinne vorenthalten werden von der Beklagten Informationen dazu, welche klimaschädlichen Emissionen in den beworbenen Ausgleich überhaupt einbezogen sind, da dies die in der Darstellung enthaltenen Angaben nicht eindeutig erkennen lassen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht
Martin Boden / Jan-Tilman Uhe / Alicja Wilczek, IPRB 2022, 102

Rechtsprechung:
Kein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz wegen Übernahme wettbewerblicher Eigenschaften von Produkten des täglichen Bedarfs bei unterschiedlicher Produktbezeichnung ("Vienetta")
BGH vom 19.10.2000 - I ZR 225/98
Gustav-Adolf Ulrich, EWiR 2001, 333

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.05.2023 13:41
Quelle: Justiz NRW

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