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EuGH GA: Kein erneuter Urlaubsanspruch nach Corona-Quarantäne während freigenommener Tage

Das Unionsrecht schreibt nicht vor, dass bezahlter Jahresurlaub, der mit einer Quarantäne zusammenfällt, die von einer Behörde wegen des Kontakts des Arbeitnehmers mit einer mit dem Virus SARS-CoV‑2 infizierten Person angeordnet wurde, verschoben wird. Diese Ansicht hat der Generalanwalt Priit Pikamäe (EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts v. 4.5.2023 – C-206/22 – Sparkasse Südpfalz) vertreten.

Das tatsächliche Erhalten des in Art. 31 Abs. 2 EuGRC verbürgten Rechts auf Jahresurlaub setze lediglich voraus, dass der Arbeitnehmer zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit den in Art. 7 der RL 2003/88/EG vorgesehenen bezahlten Mindestjahresurlaub erhält und in dieser Zeit, befreit von jeglichen Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber, die Möglichkeit hat, sich auszuruhen oder Freizeitaktivitäten nachzugehen. Es ergebe sich weder aus Unionsrecht noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass es zur Verwirklichung des mit der RL 2003/88 verfolgten Ziels darüber hinaus erforderlich wäre, dass der bezahlte Urlaub, der dem Arbeitnehmer zu gewähren ist, diesem in dieser Zeit tatsächlich Entspannung, Erholung und Freizeitaktivitäten beschert hat. Das Recht auf das tatsächliche Erhalten des bezahlten Jahresurlaubs dürfe nicht mit einem Recht auf das tatsächliche Ergebnis eines solchen Urlaubs verwechselt werden.

Im Unterschied zur Arbeitsunfähigkeit werde das Recht, bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zu erhalten, durch eine Quarantäne nicht beeinträchtigt. Die Quarantäne wirke sich lediglich auf die Bedingungen aus, unter denen der Arbeitnehmer seine Freizeit gestalten kann.

Die Qualität eines bezahlten Jahresurlaubs, der dem Arbeitnehmer gewährt worden ist, könne sicherlich durch eine Absonderungsanordnung erhebliche Einbußen erleiden. Das unionsrechtlich verbürgte Recht auf bezahlten Jahresurlaub vermöge dieses Problem jedoch nicht zu lösen. Dem nationalen Gesetzgeber bleibe es aber unbenommen, über den in Art. 7 der RL 2003/88 garantierten Mindestschutz hinaus günstigere Maßnahmen zu treffen, die eine Verschiebung des bezahlten Jahresurlaubs ermöglichen.

Der Generalanwalt weist insoweit darauf hin, dass der deutsche Gesetzgeber nach Einreichung des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens in das nationale Recht Bestimmungen aufgenommen hat, nach denen die Tage der Absonderung nicht auf den bezahlten Jahresurlaub angerechnet werden. Es handelt sich dabei um die Neuregelung des Infektionsschutzgesetzes vom September 2022 (§ 59 IfSG). Für frühere Zeiten, also den Großteil der Corona-Zeit, gilt das aber bislang nicht rückwirkend.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.05.2023 18:32
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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