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LG Düsseldorf v. 11.1.2023 - 12 O 71/21

Blogger kritisiert Finanzprodukt: Anspruch auf Unterlassung wegen unwahrer Tatsachenbehauptung?

Das LG Düsseldorf hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Blogger sich im Internet kritisch über ein Finanzprodukt geäußert hatte. Diese Kritik enthalte unwahre Tatsachenbehauptungen, meinte der Finanzdienstleister. Letztlich scheiterte jedoch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin macht wegen angeblich unwahren Tatsachenbehauptungen Unterlassung von Äußerungen geltend, die der Antragsgegner im Internet veröffentlicht hat. Die Antragstellerin bietet ihren Kunden Vermögensanlagen, u.a. im Zusammenhang mit der Finanzierung von Immobilien in den V in E/G, an. Der Antragsgegner ist Journalist und betreibt u.a. die Online-Blogs E und W. Dort veröffentlicht er Artikel und informiert Verbraucher insbesondere zu Geldanlagen.

Anfang 2021 bot die Antragstellerin als Geldanlage ein neues Portfolio von Immobiliendarlehen an (im Folgenden vereinfachend als „Finanzprodukt“ bezeichnet). Hierzu veröffentlichte der Antragsgegner am 27.2.2021 unter der Internetadresse E einen Beitrag, in dem es heißt:

„Es ist schon ein merkwürdiges Angebot, was der Herr L von der [Antragstellerin] da an potentielle Kunden unterbreitet. Das Angebot ist von den Sicherheiten her für einen Investor das schlechteste Investment, was man überhaupt anbieten kann. Nachrangdarlehen kann man auch als Abenteuerkapital bezeichnen. Merkwürdig auch, dass man nicht einmal sagt, ab welcher Summe man Nachrangdarlehensgeber werden kann. Lassen Sie die Finger von solchen Angeboten, wenn sie kein Geld aufs Spiel setzen wollen und sie wissen ja, mit Geld spielt man nicht.“

Weiter findet sich in dem Beitrag des Antragsgegners die Angabe „Agio 5%“ in Bezug auf das Finanzprodukt.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, es liege ein rechtswidriger Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht vor. Der Antragsgegner habe in beiden Blog-Beiträgen der Wahrheit zuwider behauptet, sie, die Antragstellerin, verlange bei dem Investment in das Finanzprodukt ein sog. Agio (Aufgeld). Dies sei nachweislich falsch.

Das LG untersagte dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung, in Bezug auf das Finanzprodukt zu behaupten, die Antragstellerin verlange dafür ein sog. Agio in Höhe von 5 %.

Im zugehörigen Hauptsachverfahren hat das LG die auf Unterlassung der Angabe „Agio 5%“ gerichtete Klage der Antragstellerin mit Urteil vom 5.10.2022 (12 O 198/21) abgewiesen. Die hiergegen von dem Antragsteller eingelegte Berufung ist derzeit beim OLG Köln anhängig.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, mit den in Rede stehenden Blog-Beiträgen habe er lediglich seine persönliche Meinung zu dem Angebot der Antragstellerin geäußert und anschließend die Werbeaussagen der Antragstellerin in der Übersicht noch einmal zusammengefasst. Insofern habe er auch nicht die Behauptung aufgestellt, dass ein Agio erhoben werde. Er habe lediglich über die eigene Werbeanzeige der Antragstellerin berichtet. Jedenfalls habe zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der beiden in Rede stehenden Blog-Beiträge keine unwahre Tatsachenbehauptung vorgelegen. Die angegriffene Angabe „Agio 5 %“ entspreche den Tatsachen bzw. habe damals am 27.2.2021 der Wahrheit entsprochen, weil exakt diese Angabe im Zeitpunkt der Veröffentlichung der beiden Blog-Beiträge auch den Angaben der Antragstellerin in ihrer eigenen Werbung auf dem Portal B zu entnehmen gewesen sei.

Das LG hat die einstweilige Verfügung aufgehoben.

Die Gründe:
Die Antragstellerin hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass ein rechtswidriger Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht vorliegt.

Der durchschnittliche Leser der beiden wortgleichen Blog-Beiträge versteht die angegriffene Äußerung „Agio 5%“ in der abschließenden Übersicht zu dem dort beschriebene Finanzprodukt im Gesamtzusammenhang dahingehend, dass bei einer Investition in das Finanzprodukt ein Betrag von 5% der Investitionssumme an den Emittenten der Geldanlage, hier die Antragstellerin, fließt. Die Bezeichnung „Agio“ für Aufgeld (auch Ausgabeaufschlag genannt) ist im Finanzjargon üblich und den Interessenten von entsprechenden Geldanlageprodukten geläufig.

Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass die angegriffene Angabe „Agio 5%“ unter Berücksichtigung der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Anlagebedingungen nicht zutreffend ist, da sich diesen keine Regelungen zu einem Agio bzw. einem Aufgeld entnehmen lässt. § 4 Abs. 2 der Anlagebedingungen sieht vor, dass eine Rückzahlung vorbehaltlich der Regelungen in §§ 8 und 9 zu 100% des Nennbetrags erfolgt. Dies schließt freilich eine gesonderte Vereinbarung eines entsprechenden Agios bei Abschluss des Darlehensvertrags mit qualifiziertem Rangrücktritt nicht aus.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich allenfalls um einen niedrigschwelligen Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht handeln würde. Betroffen ist lediglich ein Finanzprodukt aus dem Portfolio der Antragstellerin. Zum Umfang eines möglicherweise sich aus der falschen Angabe ergebenden Schadens hat die Antragstellerin nicht näher vorgetragen. Ein entsprechendes Investment in das Finanzprodukt ist mittlerweile offensichtlich nicht mehr möglich, da auch die Anlagebedingungen nicht mehr im Internet abrufbar sind. Die Internetseite mit den Anlagebedingungen wurde inaktiv gestellt.

Ferner hat die insofern darlegungs- und beweisbelastete Antragstellerin nicht darzulegen und glaubhaft zu machen vermocht, dass die Angabe „Agio 5%“ in dem hier maßgeblichen Zeitraum und unter Berücksichtigung der dem Antragsgegner zugänglichen Erkenntnisquellen nicht richtig war und daher eine – erwiesen falsche oder bewusst – unwahre Tatsachenbehauptung vorliegt. Für die Wahrheit der behaupteten Tatsache trifft im Rahmen des Unterlassungsanspruchs grundsätzlich die klagende Partei die Darlegungs- und Beweislast. Denn im Ausgangspunkt hat die Unwahrheit einer Behauptung nach der allgemeinen Beweislastregel derjenige zu beweisen, der sich gegen die Äußerung wendet. Entsprechendes gilt für die Glaubhaftmachungslast im einstweiligen Verfügungsverfahren.

Unabhängig von der Glaubhaftmachungslast trifft den Prozessgegner, hier also den Antragsgegner, eine erweiterte (sekundäre) Darlegungslast, die ihn anhält, Belegtatsachen für die Richtigkeit ihrer Behauptung anzugeben. Der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast ist der Antragsgegner insoweit nachgekommen, als er sich zum Beleg der Richtigkeit der angegriffenen Angabe bereits vorgerichtlich und auch in den beiden gerichtlichen Verfahren auf die Werbeanzeige auf dem von einem Dritten betriebenen Portal B und die dortigen Angaben zu dem Finanzprodukt berufen hat. Unstreitig hat er vorgerichtlich – noch vor der Abmahnung – entsprechende Screenshots von dieser Werbeanzeige der Antragstellerin als Beleg übersandt. Dass diese Werbeanzeige, mit der für das hier in Rede stehende Finanzprodukt der Antragstellerin geworben werden sollte, auf dem Portal B mit der Angabe „Agio 5%“ abgerufen werden konnte, ist unstreitig geblieben. Dass es sich insofern um eine Werbeanzeige für das Finanzprodukt handelte, hat die Antragstellerin dadurch eingeräumt, dass sie eben diese Wortwahl des Antragsgegners in ihren letzten Schriftsätzen übernommen hat.

Im Übrigen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsgegner die Anlagebedingungen in der Folge zeitnah übersandt erhalten hat.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.03.2023 12:01
Quelle: Justiz NRW online

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