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Wirksame Optionsprämien in der Sparphase eines Bausparvertrags - Zugleich Besprechung von BGH, Urt. v. 15.11.2022 – XI ZR 551/21 , ZIP 2022, 2536 (Herresthal, ZIP 2023, 333)

Die Wirksamkeit von klauselmäßigen Entgelten in Bausparverträgen ist Gegenstand zahlreicher höchstrichterlicher Entscheidungen. Am 15.11.2022 hat der BGH das jährlich zu entrichtende sog. Jahresentgelt für die bauspartechnische Verwaltung in der Ansparphase eines Bausparvertrags als unangemessene Benachteiligung des Bausparers verworfen. In diesem Zusammenhang hat der BGH die beiden Hauptleistungen der Bausparkasse in der Ansparphase besonders herausgestellt. Zu diesen zählt die Option des Bausparers auf ein Bauspardarlehen. Der Beitrag skizziert die wesentlichen Aussagen der BGH-Entscheidung und analysiert die Zulässigkeit einer klauselmäßigen Optionsprämie in der Ansparphase eines Bausparvertrags.

I. Einleitung
II. Der wesentliche Inhalt der Entscheidung vom 15.11.2022

1. Die wesentlichen Aussagen zum Steuerungsentgelt
2. Die Qualifikation des Steuerungsentgelts als kontrollfähige Preisnebenabrede
3. Die Fehlleitung der Praxis durch den XI. Zivilsenat mit der Entscheidung aus dem Jahr 2017
III. Die Zulässigkeit einer Optionsprämie nach der BGH-Entscheidung
1. Die Gewährung der Darlehensoption (Anwartschaft) als Hauptleistung der Bausparkasse
2. Die zulässige Bepreisung der Darlehensoption (Darlehensanwartschaft)
a) Die Möglichkeit der Bepreisung der Option als Hauptleistung
b) Die regelmäßige Entgeltlichkeit einer Option
c) Die Freiheit zur Bepreisung der Option und zur Ausgestaltung des Bepreisungsmodels
d) Kein Entgegenstehen des Leitbildes aus § 488 Abs. 1 BGB
e) Die aufsichtsrechtliche Kontrolle der Optionsprämie
3. Die inhaltliche Kontrollfreiheit der Optionsprämie nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB
4. Die hinreichende Transparenz der Optionsprämie
IV. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse


I. Einleitung

Mit seiner Entscheidung vom 15.11.2022 hat der BGH zu einem klauselmäßigen Jahresentgelt in der Sparphase eines Bausparvertrags Stellung genommen. Er hat die konkrete Klausel in den Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (nachfolgend: ABB) als unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB qualifiziert und als unwirksam verworfen. Nach Ansicht des BGH enthielt die Klausel ein unzulässiges Entgelt für eine Verwaltungstätigkeit der Bausparkasse in der Ansparphase. Die Kette der vom BGH als unwirksam verworfenen Entgeltklauseln im Bankvertragsrecht, u.a. in Bausparverträgen, wurde – wenig überraschend – auf diese Weise weiter verlängert. Allerdings hat der BGH zugleich die beiden Hauptleistungen der Bausparkasse in der Ansparphase deutlichst identifiziert und die Kontrollfreiheit von Bestimmungen über den Preis für die vertragliche Hauptleistung bestätigt. Damit hat er die bepreisbaren Leistungen der Bausparkasse in der Ansparphase sowie die Kontrollfreiheit der klauselmäßigen Entgelte für diese Hauptleistungen bestätigt. Anders als nach der Entscheidung des BGH zu Kontoentgelten im Jahr 2017 scheint damit eine judikative Fehlleitung der Rechtspraxis ausgeschlossen. Der Gerichtshof schafft auf diese Weise immerhin Rechtssicherheit in Bezug auf die in der Ansparphase eines Bausparvertrags bepreisbaren Leistungen der Bausparkasse.

II. Der wesentliche Inhalt der Entscheidung vom 15.11.2022

1. Die wesentlichen Aussagen zum Steuerungsentgelt

Mit seiner Entscheidung vom 15.11.2022 hat der BGH ein sog. Jahresentgelt i.H.v. 12 € in der Ansparphase eines Bausparvertrags als Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB gewertet. Nach seiner Auslegung handelt es sich um eine Preisnebenabrede, mit der ein Entgelt für Verwaltungstätigkeiten der Bausparkasse in der Ansparphase erhoben werde. Diese Verwaltungstätigkeiten ließen sich mit der bauspartechnischen Verwaltung, Kollektivsteuerung und Führung einer Zuteilungsmasse umschreiben. Hauptleistungen der Bausparkasse in der Ansparphase seien die Zahlung der Zinsen auf das Bausparguthaben sowie die Verschaffung eines Anspruchs auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse. Die genannten Verwaltungstätigkeiten seien nur eine Vorleistung für die eigentliche Leistungserbringung, die Gewährung des Bauspardarlehens, und daher keine gesondert vergütungsfähige Leistung der Bausparkasse. Hierdurch werde die unangemessene Benachteiligung des Bausparers durch die Klausel indiziert. Eine Widerlegung dieser Indikation scheitere, da eine Gesamtbetrachtung keine bausparspezifischen Individualvorteile der einzelnen Bausparer zeige und auch kollektive Gesamtinteressen der Bauspargemeinschaft das Entgelt nicht rechtfertigten.

2. Die Qualifikation des Steuerungsentgelts als kontrollfähige Preisnebenabrede
Zu den von der Entscheidung berührten, vorstehend genannten Streitpunkten wurden die maßgebenden Argumente für die jeweilige Gegenposition von der h.Lit. im Schrifttum bereits ausreichend adressiert. Zur Verwerfung der konkreten Entgeltklausel in der Ansparphase durch den BGH sind daher hier nur einzelne Aspekte zu erinnern.

Zum Ersten ist die Rückkehr des XI. Zivilsenats des BGH zum zutreffenden Maßstab bei der Auslegung der konkreten streitgegenständlichen Klausel positiv zu würdigen. Anders als in einer jüngeren Entscheidung stellt der Senat nun wieder auf den Wortlaut der Klausel nach dem Verständnis von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise ab. Freilich kommt bei der Anwendung dieses Maßstabs erneut zu kurz, dass eine beiderseits interessengerechte Auslegung geboten ist, da auch der Klauselverwender zu den beteiligten Verkehrskreisen zählt, und die Auslegung neben dem Wortlaut auch den erkennbaren objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen hat. Die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zwecks der Klausel bei der Auslegung ist zudem ausbaufähig.

Zum Zweiten verkürzt der XI. Zivilsenat des BGH bei der Anwendung der (abzulehnenden) Unterscheidung zwischen Preisabreden und Preisnebenabreden den Bereich der – nach dieser Unterscheidung kontrollfreien – Preisabreden mit Blick auf Entgelte für Nebenleistungen zu sehr. Hierin kann durchaus eine Abweichung von anderen Senaten gesehen werden. Denn nach der aktuellen Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH sind Preisabreden nur „Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung (sowie) ... Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung“. Dies insinuiert, dass Entgelte für Nebenleistungen klauselmäßig allenfalls ausnahmsweise wirksam vereinbart werden können („Sonderleistung“; „zusätzlich angeboten“, „rechtlich nicht geregelt“). Insofern legen andere Senate des Gerichtshofs vorzugswürdig ein wesentlich weiteres Verständnis der gesetzlich respektierten Vertragsfreiheit der Parteien zugrunde. Der VII. Zivilsenat des BGH formuliert dahingehend: „Preisvereinbarungen für Haupt- und Nebenleistungen stellen im nicht preisregulierten Markt weder eine Abweichung noch eine Ergänzung von Rechtsvorschriften dar und unterliegen daher grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle“. Freiheitsbewusst hält auch der III. Zivilsenat des BGH ausdrücklich fest: „Mithin stellen im nicht preisregulierten Markt Preisvereinbarungen für Haupt- und Nebenleistungen im Allgemeinen weder eine Abweichung noch eine Ergänzung von Rechtsvorschriften dar und unterliegen daher grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle (BGH v. 18.5.1999 – XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380, 383 = ZIP 1999, 1090; 116, BGH v. 19.11.1991 – X ZR 63/90, BGHZ 116, 117, 120 f.).“ Der Kartellsenat des BGH betont: „Preisabreden für Nebenleistungen (unterliegen) ebenso wenig der Inhaltskontrolle wie Preisklauseln für die vertragliche Hauptleistung“. Auch der X. Zivilsenat betont, dass es für die Frage, ob eine Preisbemessungsklausel der richterlichen Inhaltskontrolle unterworfen ist, nicht darauf ankomme, ob die konkret bepreiste Leistung gemessen an den vertraglichen Leistungen des Gesamtvertrages als eine trennbare Nebenleistung anzusehen sei. Die genannten Senate formulieren zur hier diskutierten aktuellen Entscheidung des XI. Zivilsenats des BGH ein geradezu umgekehrtes Regel-Ausnahme-Verhältnis, wenn sie deutlich auf die grundsätzliche Kontrollfreiheit von Preisvereinbarungen auch für Nebenleistungen verweisen. Ob der XI. Zivilsenat ein – weder vom Privatrechtsgesetzgeber noch vom Grundgesetz geteiltes – Leitbild zugunsten eines Einheitspreises zugrunde legt, braucht an dieser Stelle ebenso wenig entschieden zu werden wie die Frage, ob angesichts dieser nicht nur sprachlichen, sondern auch inhaltlichen Divergenz zu den freiheitsbewussteren Formulierungen anderer Zivilsenate ein Verfahren nach § 132 Abs. 2 GVG zur Klärung der Reichweite der Kontrollfreiheit gem. § 307 Abs. 3 BGB angezeigt ist. Festzuhalten ist dagegen, dass die verfassungsrechtlich geschützte Vertragsfreiheit, anders als vom XI. Zivilsenat insinuiert, nicht auf die Vereinbarung sog. Hauptleistungen und die dafür zu entrichtenden Entgelte beschränkt ist, sondern auch die Freiheit zur vertraglichen Vereinbarung von entgeltlichen Nebenleistungen umfasst. Mitnichten können danach entgeltliche Nebenleistungen nur ausnahmsweise klauselmäßig vereinbart werden. Das Schrifttum betont ebenfalls zu Recht, dass (transparente) Klauseln, die den vom Klauselgegner zu zahlenden Preis unmittelbar festlegen, kontrollfrei sind und zwar gleichgültig, ob es sich um den Preis für die Hauptleistung oder eine Neben- oder Sonderleistung handelt. Ob sich der Preis auf die Hauptleistung oder auf Nebenleistungen oder nur auf einzelne Leistungsteile bezieht, macht keinen Unterschied. Entscheidend ist, ob die Klausel an der marktorientierten, privatautonomen Auswahlentscheidung des Vertragspartners teilnimmt, wobei der Vertragspartner als verständiger, selbstverantwortungsbereiter und -fähiger Kunde vorzustellen ist.

Zum Dritten fällt bei der Bejahung einer unangemessenen Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGB durch die konkrete Jahresentgeltklausel die Inhaltsleere und Freiheit von Wertungsmaßstäben der „Abwägung“ auf. Der BGH beschränkt sich in der Tat auf den Hinweis, dass das Steuerungsentgelt ein weiterer finanzieller Nachteil des Bausparers in der Ansparphase sei und den Vorteilen des Bausparers in der Darlehensphase – genannt werden ein geringer Nominalzins des Bauspardarlehens und die einseitige Verteilung des Zinsänderungsrisikos zugunsten der Bausparer – „nicht unerhebliche Nachteile in der Ansparphase gegenüber“ stünden. Letztere erkennt der BGH in der Abschlussgebühr und der vergleichsweise niedrigen Verzinsung der Spareinlagen. Sodann folgt nur ein Hinweis auf eine „gebotene pauschalisierende Gesamtbetrachtung“. Konkrete Maßstäbe für die Wertungsentscheidung, nach der die Widerlegung der von § 307 Abs. 1, 2 BGB indizierten unangemessenen Benachteiligung nicht möglich ist, identifiziert der BGH nicht. Demnach bleibt unklar, auf welcher Wertungsgrundlage die Möglichkeit einer...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.02.2023 09:46
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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