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BGH v. 17.1.2023 - VI ZR 316/20

Zur Haftung eines Fahrzeugherstellers nach § 826 BGB ggü. dem Käufer eines Fahrzeugs in einem sog. Dieselfall

Der BGH hatte einen Fall zur Haftung eines Fahrzeugherstellers nach § 826 BGB ggü. dem Käufer eines Fahrzeugs in einem sog. Dieselfall zu entscheiden.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch.

Sie erwarb im Februar 2015 von einem Autohaus ein Fahrzeug der Marke Volkswagen, Typ Tiguan 2.0 TDI als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 34.500 €, den sie mit einem Kredit der Volkswagen Bank finanzierte. Sie leistete eine Anzahlung iHv 9.000 € und beglich zwölf monatliche Raten à 152 €. Die Schlussrate iHv ca. 24.000 € zahlte sie nicht.

Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgerüstet. Die Motorsteuerung war mit einer das Abgasrückführungsventil steuernden Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wurde, und in diesem Falle in einen Abgasrückführungsmodus mit niedrigem Stickoxidausstoß schaltete. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und ordnete Mitte Oktober 2015 gegenüber der Beklagten einen Rückruf für Fahrzeuge mit dem Motor EA189 an, verbunden mit der Aufforderung, die als unzulässig einzuordnende Abschalteinrichtung zu entfernen. Die Beklagte entwickelte daraufhin ein Software-Update, das das KBA als geeignet zur Herstellung der Vorschriftsmäßigkeit auch des hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ansah.

Mit Schreiben vom 26. Oktober 2016 forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Fahrzeug Zug um Zug gegen Erstattung der geleisteten Zahlungen und Freistellung von der Schlusszahlungsverpflichtung zurückzunehmen, wobei Gebrauchsvorteile für die Nutzung des Fahrzeugs nicht abzuziehen seien.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Erstattung ihrer an die Bank geleisteten Anzahlung und der beglichenen Raten iHv insgesamt ca. 10.800 € nebst Zinsen sowie die Freistellung von der offenen Schlussrate Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Sie begehrt darüber hinaus die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten.

Das LG gab der Klage überwiegend statt; es hat von der Klageforderung lediglich eine Nutzungsentschädigung iHv ca. 10.000 € in Abzug gebracht. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die in Abzug zu bringende Nutzungsentschädigung auf ca. 9.000 € reduziert. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das landgerichtliche Urteil aufgehoben, soweit darin festgestellt wird, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet, und die Klage insoweit abgewiesen.

Die Revision, mit der sich die Klägerin gegen den vorgenommenen Vorteilsausgleich wendet und ihren Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten weiterverfolgt, hat der BGH zurückgewiesen.

Die Gründe:
Nach richtiger Auffassung des OLG steht der Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB gegen die Beklagte zu. Die Klägerin ist von der Verpflichtung zur Erbringung der noch offenen Schlusszahlung freizustellen. Darüber hinaus sind ihr die auf den Darlehensvertrag geleisteten Zahlungen iHv 10.829 € zu erstatten. Hiervon ist allerdings eine Nutzungsentschädigung iHv 8.910 € abzuziehen, so dass ein Zahlungsbetrag von 1.918 € verbleibt.

Der Feststellungsantrag ist dagegen nicht begründet. Die Beklagte befindet sich nicht in Annahmeverzug. Das Angebot der Klägerin entspricht nicht der tatsächlich von der Beklagten geschuldeten Leistung. Die Klägerin ist bis zuletzt nicht bereit gewesen, den auch nur annähernd zutreffend unter Abzug der Nutzungsentschädigung berechneten Zahlungsbetrag entgegenzunehmen.

Das OLG hat zu Recht angenommen, dass sich die Klägerin im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihr gezogenen Nutzungen anrechnen lassen muss. Die von der Revision der Klägerin dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch. Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Vorteilsausgleich nicht das Gebot unionsrechtskonformer Rechtsanwendung entgegen. Dies gilt auch für den Fall, dass es sich bei den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und den §§ 6, 27 EG-FGV um Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB handelte. Denn die nationalen Gerichte sind berechtigt, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt. Dementsprechend ist es mit dem unionsrechtlichen Effizienzgebot grundsätzlich vereinbar, einen Ersatzanspruch nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung zu reduzieren, soweit er zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Anspruchsberechtigten führte.

Aufgrund des vorzunehmenden Vorteilsausgleichs ist auch der auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten gerichtete Antrag der Klägerin unbegründet. Die Klägerin hat im Hinblick darauf, dass sie in dem Schreiben vom 26. Oktober 2016 die Erstattung und Freistellung bezüglich des gesamten Kaufpreises verlangt und sich noch bis in die Revisionsinstanz gegen die Anrechnung von Nutzungsersatz gewehrt hat, durchgängig die Zahlung eines deutlich höheren Betrags verlangt, als sie hätte beanspruchen können. Sie hat damit ihr Angebot zur Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an unberechtigte Bedingungen geknüpft. Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.02.2023 11:46
Quelle: BGH online

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