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LG München I v. 19.1.2023 - 1 HK O 13543/21

Verwechslungsgefahr bei Werbung für Automarken

Die 1. Kammer für Handelssachen des LG München I hat in einem Markenstreit zwischen zwei Automobilherstellern zugunsten der Klageseite entschieden und der Beklagten die angegriffene Werbung untersagt.

Der Sachverhalt:
Der beklagte Autokonzern bewirbt auf seiner Internetseite zwei seiner Automobile mit seinem Firmennamen sowie dem Zusatz „es 6“ bzw. „es 8“ und plant die von ihm dergestalt beworbenen Fahrzeuge in Deutschland auf den Markt zu bringen.

Hiergegen wandte sich der Kläger in seiner Klage auf Unterlassung, Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung des Schadenersatzes mit dem Argument, dass bezüglich der für ihn eingetragenen Marken „S 6“ und „S 8“ Verwechslungsgefahr bestehe.

Das Gericht bejahte im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr der beiden Zeichen durch gedankliches Inverbindungbringen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Der in der Werbung zu sehende Firmenname hat für die Bewertung der Verwechselungsgefahr rechtlich außer Betracht zu bleiben, da es sich bei dem angegriffenen Zeichen erkennbar um einen Kfz-Typenbezeichnung handelt und es im Automobilbereich die Gepflogenheit gibt, Typenbezeichnungen als eigenständige Marken im Sinne von Zweitmarken anzusehen. Es gilt dann der Grundsatz, dass Marken als Ganzes zu vergleichen sind.

Zwar weicht die angegriffene Gestaltung des beklagten Unternehmens durch den zusätzlichen Buchstaben „E“ im Zeichen der Beklagten schriftbildlich und klanglich merkbar von der klägerischen Marke „S 6“ und „S 8“ ab. Der zusätzliche Buchstabe „E“ sichert jedoch vorliegend keine hinreichende Unterscheidungskraft. Beide Marken werden zumindest in klanglicher Hinsicht gedanklich in Verbindung gebracht, was unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Klagemarke und bestehenden Warenidentität zu einer mittelbaren Verwechslungsgefahr führt.

Der Buchstabe „E“ in Verbindung mit einem Produkt ist nämlich aktuell als Abkürzung für „Elektro“/ „elektronisch“ quasi allgegenwärtig. Der Buchstabengebrauch betrifft sämtliche Lebensbereiche (z.B. als E-Akte das Gericht), insbesondere aber auch den Automobilbereich. Die Bedeutung bzw. der Ausbau der sog. „E-Mobilität“ ist ein wichtiges Gesellschaftsthema. Dementsprechend wird ein Kraftfahrzeug, das über einen Elektromotor verfügt, nicht nur als Elektroauto, sondern auch sehr häufig kurz als „E-Auto“ bezeichnet.

Es ist deshalb zu erwarten, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise das „E“ in dem angegriffenen Zeichen und damit den einzigen Unterschied zwischen den beiden Zeichen auch hier als in diesem Sinne beschreibend versteht und darin lediglich einen Hinweis auf den Motortyp des Fahrzeugs sieht. Es besteht die Gefahr, dass Verbraucher annehmen, der „ES 6“ sei der „S 6“ in der Elektroversion, die beiden Fahrzeuge seien vom selben Hersteller. Es gibt damit eine über die reine Assoziation hinausgehende Gefahr einer Verwechselung durch Inverbindungbringen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.01.2023 13:29
Quelle: LG München I PM Nr. 2 vom 19.1.2023

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