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OLG Brandenburg v. 18.10.2022 - 4 U 217/21

Panne am Geldautomaten - Wer trägt die Beweislast für die Höhe des eingezahlten Betrages?

Die Darlegungs- und Beweislast für den Umstand, dass ein Bankkunde an einem Geldautomaten eine Bareinzahlung in der von ihm behaupteten Höhe überhaupt ausgelöst bzw. den Zahlungsauftrag mit dem von ihm behaupteten Inhalt erteilt hat, liegt – entsprechend den allgemeinen Regeln – Einzahler. Hierfür spricht zum einen der Wortlaut des § 676 BGB, der nur die streitige Tatsache der ordnungsgemäßen Ausführung des Zahlungsvorgangs in Bezug nimmt, und zum anderen der Wortlaut des § 675 y Abs. 1 Satz 5 BGB a.F., der auf den Erfolg der Auftragsausführung abstellt.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 28.9.2016, 18.10 Uhr Bargeld an einem Geldautomaten der Beklagten eingezahlt. Der Vorgang wurde kurze Zeit, nachdem der Automat die Geldnoten aufgenommen, den Einzahlungsbehälter geschlossen und mit dem Verarbeitungsvorgang begonnen hatte, abgebrochen. Es erschien auf dem Display des Automaten der Wortlaut „Außer Betrieb“. Der Kläger wandte sich telefonisch an die in den Räumlichkeiten der Filiale angeschlagene Service-Telefonnummer, welche Summe er als eingezahlt angab, ist streitig.

Am Folgetag erschienen die Mitarbeiter der für die Bestückung und Wartung des Einzahlungsautomaten beauftragten Firma zur Entstörung des Automaten. Diese fanden 300 € in der Retract-Kassette und 3.850 € auf dem Transportweg des Automaten. Die in der Retract-Kassette vorgefundenen 300 € wurden später einem weiteren abgebrochenen Einzahlungsvorgang einer anderen Kundin der Beklagten zugeordnet. Die auf dem Transportweg vorgefundene Summe von 3.850 € wurde dem Einzahlungsvorgang des Klägers zugeordnet und dessen Konto bei der Beklagten gutgeschrieben.

Später behauptete der Kläger, er habe an dem besagten Tag Bargeld i.H.v. insgesamt 13.325 € eingelegt. Dieser Betrag stamme aus dem Verkauf eines Motorrades. Er war der Ansicht, dass wer sich – wie die Beklagte – technischer Geräte bediene, letztlich für deren Fehlerhaftigkeit einzustehen habe. Die Beklagte hielt dagegen, der Kläger habe, als er im Rahmen des Telefonats im Anschluss an den abgebrochenen Einzahlungsvorgang nach der Höhe des eingezahlten Geldbetrages gefragt worden sei, 10.000 € angegeben. Es sei bei dem streitgegenständlichen Geldautomaten technisch ausgeschlossen, dass sich Geldbeträge außerhalb der Kassetten zur planmäßigen Ablage, des Retract-Fachs oder des Geldtransportwegs im Gerät eingelagert oder verborgen haben könnten. Dass irgendwo im vorliegenden Gerät Geld verschwunden sei, sei bei millionenfachem Einsatz des Geräts noch nie aufgetreten.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB i:V.m. einem Geschäftsbesorgungsvertrag zur Erbringung von Zahlungsdiensten (§§ 675 c ff. BGB) zu. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Erstattungsanspruch nach § 675 y Abs. 1 Satz 1 BGB; eine andere Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch kam hier nicht in Betracht.

Der Senat war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass der Kläger in das Geldeingabefach 13.325 € eingelegt hat. Vielmehr stand zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger 3.850 € eingelegt und sodann einen Zahlungsvorgang in dieser Höhe ausgelöst hat, mit der Folge, dass ein teilweise nicht ausgeführter Zahlungsvorgang i.S.d. § 675 y Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nicht vorlag. Der Abruch des Einzahlungsvorgangs führte auch unter Berücksichtigung des § 676 BGB nicht dazu, dass die Beklagte den Nachweis führen musste, dass der Kläger lediglich 3.850 € in den Automaten eingeführt hatte.

Die Darlegungs- und Beweislast für den Umstand, dass er den Zahlungsvorgang in der von ihm behaupteten Höhe überhaupt – durch Bareinzahlung von 13.325 € – ausgelöst bzw. den Zahlungsauftrag mit dem von ihm behaupteten Inhalt erteilt hatte, oblag – entsprechend den allgemeinen Regeln – dem Kläger als Zahler. Hierfür sprach zum einen der Wortlaut des § 676 BGB, der nur die streitige Tatsache der ordnungsgemäßen Ausführung des Zahlungsvorgangs in Bezug nimmt, und zum anderen der Wortlaut des § 675 y Abs. 1 Satz 5 BGB a.F., der auf den Erfolg der Auftragsausführung abstellt. Dies war auch sachgerecht, da der Zahlungsdienstleister bei streitigen Barein- und -auszahlungsfällen an Kassenautomaten nicht in der Lage ist, über den Nachweis des ordnungsgemäßen Ablaufs gem. § 676 BGB hinaus die tatsächlich erfolgte Zahlung nachzuweisen.

Der Kläger vermochte den Beweis darüber, dass er über die im Geldautomaten gefundene Summe von 3.850 € hinaus weitere 9.475 € in den Geldautomaten eingelegt hatte, nicht zu führen. Für den unmittelbaren Einzahlungsvorgang gab es keine Zeugen. Zwar hatte ein Zeuge den Abschluss des Kaufvertrages über das Motorrad zum Kaufpreis von 13.235 € bestätigt. Gleichwohl führte dies nicht zur Überzeugung des Senats, nicht einmal zu einem Anbewiesensein i.S.d. § 448 ZPO, dass der Kläger diesen Betrag tatsächlich in den Geldautomaten eingezahlt hatte. Vielmehr stand auf Grundlage des weiteren Beweisergebnisses zur Überzeugung des Senates nicht nur fest, dass bei der Öffnung und Durchsuchung des Automaten am Folgetag nur insgesamt 4.150 € in dem Automaten gefunden wurden; es war auch ausgeschlossen, dass weitere Geldbeträge als diese vorgefundenen vom Kläger eingezahlt worden waren.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.12.2022 12:38
Quelle: Landesrecht Brandenburg

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