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Schleswig-Holsteinisches OLG v. 10.11.2022 - 5 U 159/22

Zur Auslegung einer Zinsklausel in einem Darlehensvertrag „Zinssatz: 3-Monats-EURIBOR + Marge 1,65 %“

Die Auslegung einer Zinsklausel in einem Darlehensvertrag „Zinssatz: 3-Monats-EURIBOR + Marge 1,65 %“ ergibt, dass im Falle eines negativen Referenzzinssatzes der Beklagten nach der vertraglichen Vereinbarung zwar nicht die vereinbarte Zinsmarge verbleiben soll, allerdings auch kein Entfall der Zahlungspflicht oder gar deren Umkehr vereinbart wurde. Hieran ändert sich nichts, wenn die Darlehensgeberin dem Darlehensnehmer bei einem „Zinsfixing“ mitteilte, dass der Referenzzinssatz in Bezug auf die Zinsanpassung so behandelt werde als betrage er Null, sofern er unter Null sinke.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte von der Beklagten die Neuberechnung abgerechneter Darlehenskonten unter Berücksichtigung der negativen Entwicklung eines vereinbarten Referenzzinssatzes verlangt. Es ging um die Auslegung einer Zinsklausel in einem Darlehensvertrag „Zinssatz: 3-Monats-EURIBOR + Marge 1,65 %“. Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne von der Beklagten keine Neuberechnung der streitgegenständlichen Zinssätze verlangen, was aus einer Auslegung der vertraglichen Regelung zu den anzuwendenden Zinssätzen folge.

Die Parteien hätten in den streitgegenständlichen Darlehensverträgen jeweils eine Individualvereinbarung über die anzuwendenden Zinssätze in Form einer Zinsgleitklausel getroffen, sodass eine Anwendung der §§ 305 ff. BGB ausscheide. Die Auslegung unter Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien und Beachtung von Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte ergebe, dass die Beklagte den Zinssatz korrekt berechnet habe. Eine ausdrückliche Vereinbarung für den Fall, dass der Referenzzinssatz negativ notiert, sei zwischen den Parteien unstreitig nicht getroffen worden, während ebenfalls unstreitig keine der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhergesehen habe, dass eine derartige Entwicklung eintreten könne. Auf Fragen der Verjährung und des Einwands unzulässiger Rechtsausübung komme es dementsprechend nicht mehr an.

Auf die Berufung des Klägers hat das OLG das erstinstanzliche Urteil unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 18.171 €  zu zahlen.

Die Gründe:
Einen gesetzlichen Anspruch zur Neuberechnung, Abrechnung und sodann Auskehr der entsprechenden Zinsdifferenz gibt es nicht.

Ein Anspruch aus Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB scheidet ebenfalls aus. Der Anspruch scheitert vorliegend daran, dass der Kläger sich die entsprechenden Zahlen selbst besorgen und sogleich auf Zahlung klagen kann. Er war und ist in der Lage, denjenigen Betrag, der ihm vermeintlich bei Abrechnung der Darlehenskonten unter Berücksichtigung des negativen Referenzzinssatzes zusteht, selbst zu errechnen. Er kannte und kennt aufgrund vorhandener Kontoauszüge den genauen Verlauf der Darlehenskonten und auch den veröffentlichten Referenzzinssatz (Dreimonats-Euribor). Es war und ist ihm mithin möglich, einen Zahlungsantrag zu stellen, was er mit dem Hilfsantrag auch getan hat.

Die Klage ist jedoch hinsichtlich des Hilfsantrages teilweise begründet. Denn dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Zinsen hinsichtlich der streitgegenständlichen Darlehensverträge unter Berücksichtigung veränderter Zinssätze gem. § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB i.H.v. € 18.171 zu. Die Beklagte hatte durch die Zahlung etwas durch Leistung des Klägers erlangt. Dies geschah teilweise ohne Rechtsgrund.

Eine Berechnung wie von der Beklagten vorgenommen ist mit dem Zinsfixing am 13.4.2015 zwischen den Parteien nicht vertraglich vereinbart worden. Dass ein Anspruch auf eine geänderte Berechnung der streitgegenständlichen Darlehensverträge und damit der Rückzahlung zu viel gezahlter Zinsbeträge besteht, ergibt die Auslegung der streitgegenständlichen Zinsklausel in Ziffer 1.1 des jeweiligen Darlehensvertrages. Die Ansprüche des Klägers sind teilweise, nämlich i.H.v. € 4.050, verjährt. Sie sind weder verwirkt noch liegt sonst eine unzulässige Rechtsausübung des Klägers vor.

Die Auslegung einer Zinsklausel in einem Darlehensvertrag „Zinssatz: 3-Monats-EURIBOR + Marge 1,65 %“ ergibt, dass im Falle eines negativen Referenzzinssatzes der Beklagten nach der vertraglichen Vereinbarung zwar nicht die vereinbarte Zinsmarge verbleiben soll, allerdings auch kein Entfall der Zahlungspflicht oder gar deren Umkehr vereinbart wurde. Hieran ändert sich nichts, wenn die Darlehensgeberin dem Darlehensnehmer bei einem „Zinsfixing“ mitteilte, dass der Referenzzinssatz in Bezug auf die Zinsanpassung so behandelt werde als betrage er Null, sofern er unter Null sinke.

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Aufsatz:
Zwischenruf zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken
Hans-Gert Vogel, ZIP 2022, 682

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.11.2022 14:43
Quelle: Landesregierung Schleswig-Holstein

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