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LG Saarbrücken v. 2.8.2022 - 31 O 135/21 KfH

Unzureichende Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Unzureichende Angaben i.S.d. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung liegen nur dann vor, wenn den Vorgaben des Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nicht genügt wurde. Danach bedarf es nur Angaben zur Berechnungsmethode, nicht zu Einzelheiten der Berechnung. Letztere sind im Bedarfsfall zu klären, § 493 Abs. 5 BGB.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Rückzahlung geleisteter Vorfälligkeitsentschädigungen i.H.v. insgesamt rd. 65.000 €; der Kläger macht außerdem einen Anspruch auf Rückzahlung eines Bankentgeltes von 10,78 € geltend. Im November 2017 schlossen die Parteien einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag - ein Forward Darlehen - über einen Nettodarlehensbetrag von rd. 450.000 € bei einem Sollzinssatz von 2 % p.a. mit einer Sollzinsbindung bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Das Darlehen sollte in voller Höhe am 1.9.2030 zurückgezahlt werden. Bis zur Rückzahlung waren 146 Sollzinsraten i.H.v. rd. 750 € zu zahlen. Zudem4 sollten pro Kalenderjahr Sondertilgungen bis zu 22.430 € kostenfrei möglich sein.

Die Parteien schlossen außerdem im September 2019 einen weiteren Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag über netto rd. 53.000 € bei einem Sollzinssatz von 3,10 % p.a. mit einer Sollzinsbindung bis zum 1.10.2029. Die Rückzahlung des Darlehens sollte erfolgen in 229 Annuitätsraten von 306 € sowie einer Rate von rd. 210 €. Außerdem bestand die Möglichkeit von Sondertilgungen pro Kalenderjahr von rd. 2.600 €.

Beide Verträge enthalten Bestimmungen zu folgenden Aspekten:

  • Vorzeitige Rückzahlung
  • Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung (Ablöseentschädigung)
  • Mitteilungspflichten des Darlehensgebers bei beabsichtigter vorzeitiger Rückzahlung (§ 493 Abs. 5 BGB)

Der Kläger verkaufte die besicherten Grundstücke und führte die Darlehen vorzeitig zum 18.6. und 19.7.2021 zurück. Die ihm im Mai mitgeteilten Vorfälligkeitsentschädigungen von rd. 58.000 € - das Forward Darlehen - und rd. 6.800 € zahlte er an die Beklagte. Hinsichtlich des Forward Darlehens weist die Zinsbescheinigung von Juli 2021 ein "sonstiges Entgelt" aus von 10,78 €, womit das Konto belastet wurde. Bei Abschluss des Darlehensvertrages wurde keine entsprechende Entgeltregelung getroffen, sondern dieses nachfolgend von der Beklagten einseitig festgesetzt. Mit seiner Klage verlangt der Kläger Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen wie des Entgelts. Er vertritt hinsichtlich der Vorfälligkeitsentschädigung die Auffassung, die vertraglichen Angaben über deren Berechnung seien unzureichend i.S.d. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB mit der Folge, dass die Beträge zurückzuzahlen seien.

Das LG wies die Klage ganz überwiegend ab.

Die Gründe:
Die Vorfälligkeitsentschädigungen wurden mit Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB an die Beklagte gezahlt, im Gegensatz zu dem Bankentgelt.

Die Parteien schlossen im November 2017 und September 2019 Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge gem. § 491 Abs. 3 S. 1 BGB, die während des Zeitraums der Sollzinsbindung wegen Verkaufs der besicherten Immobilie aufgrund berechtigten Interesses vorzeitig erfüllt wurden, § 500 Abs. 2 S. 2 BGB. Damit entstand in Anwendung des § 502 Abs. 1 BGB ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung, die der Höhe nach nicht im Streit steht. Der Anspruch auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen hinsichtlich der beiden Verträge ist auch nicht ausgeschlossen gem. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil im Vertrag die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend wären.

Zur gesetzlichen Systematik ist zunächst zu verdeutlichen, dass § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB selbst nicht die Pflichtangabe statuiert, sondern anknüpft an die Regelung des Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, und seinerseits nur die Rechtsfolge bei unzureichender Angabe zum Gegenstand hat. Nach Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB muss der "Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag folgende klar und verständlich formulierte weitere Angaben enthalten, soweit sie für den Vertrag bedeutsam sind: die Voraussetzungen und die Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt, und die sich aus § 493 Abs. 5 BGB ergebenden Pflichten". § 493 Abs. 5 BGB regelt für den Bedarfsfall den Anspruch des Darlehensnehmers, dass ihm bei beabsichtigter vorzeitiger Rückzahlung u.a. die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung mitgeteilt wird.

Maßgeblich für die Auslegung ist die Entstehungsgeschichte sowie der Wortlaut des Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, nicht der Wortlaut des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB verlangt lediglich klare und verständliche Angaben zu den Voraussetzungen und der Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung. Auch der Gesetzgeber verhält sich in den Gesetzesmaterialien lediglich zu der Berechnungsmethode und grenzt diese inhaltlich ab von dem Auskunftsanspruch gem. § 493 Abs. 5 BGB, der sich im Bedarfsfall bezieht auf die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung und somit dem Ergebnis der Berechnung im Einzelnen. Dann kann jedoch die unpräzise Formulierung "Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung" in § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB - nochmals: lediglich die Rechtsfolge regelnd - nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Angaben zu Einzelheiten der Berechnung hinausgehend über die Methode als solche verlangt würden. Die Berechnung in ihren Einzelheiten wird von Bedeutung, wenn der Darlehensnehmer tatsächlich eine vorzeitige Ablösung ins Auge fasst und Anspruch auf deren Bezifferung hat.

Vor diesem Hintergrund können die streitgegenständlichen Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung nicht als unzureichend angesehen werden. Die Beklagte beschränkt sich auf Angaben zur Berechnungsmethode, die in den wesentlichen Grundzügen überwiegend in den Formulierungen des BGH selbst - diese wiederum in Bezug genommen in den Gesetzesmaterialien - beschrieben wird. Weitergehender Einzelheiten bedarf es nicht; diese sind der Berechnung im Bedarfsfall zuzuweisen. Die Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode, auf die sich die Beklagte in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Vorgabe festlegt, kann als solche nicht beanstandet werden, nachdem der Gesetzgeber selbst sie für zulässig erachtet hat.

Die Klage ist allein begründet in Höhe von 10,78 € hinsichtlich des Bankentgelts (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB). Denn der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass bei Abschluss des Forward Darlehensvertrages eine solcher Entgeltanspruch vertraglich nicht vereinbart wurde, sondern nachträglich einseitig durch AGB eingeführt worden sein muss. Auf dieser Grundlage greift die Rechtsprechung des BGH vom 27.4.2021, XI ZR 26/20, mit der Folge, dass die Entgeltabsprache nicht wirksam zustande kam.

Mehr zum Thema:

Die vorliegende Entscheidung finden Sie auch in der aktuellen Ausgabe 42 der ZIP:

Rechtsprechung:
Angaben zur Methode der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag ausreichend
LG Saarbrücken vom 24.06.2022 - 1 O 1/22
ZIP 2022, 2126

Aufsatz:
Vorfälligkeitsentschädigung beim Immobiliar-Verbraucherdarlehen
Udo Reifner, ZIP 2021, 1417

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.10.2022 11:59
Quelle: Bürgerservice Rechtsinformation des Saarlandes

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