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OLG Frankfurt a.M. v. 15.9.2022 - 6 U 191/21

Reiserecht: Gutschein statt Stornierung nicht unlauter

Bietet ein Reiseveranstalter seinen Kunden eine Umbuchung einer pandemiebedingt nicht durchführbaren Reise an, ohne ausdrücklich auf die Möglichkeit der Stornierung gegen Rückerstattung des Reisepreises hinzuweisen, ist dies nicht unlauter, solange der Verbraucher nicht über den optionalen Charakter des Angebots getäuscht wird.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband der Verbraucherzentralen. Die Beklagte ist eine Reiseveranstalterin, die Verbrauchern die Möglichkeit bietet, Pauschalreisen über ihre Website zu buchen. Vom 28.5.2020 bis zum 8.7.2020 befand sich auf der Internetseite der Beklagten unter dem Link „Aktuelle Corona-Informationen finden sie hier“ ein Hinweis, dass die Beklagte wegen vieler Anfragen schwer erreichbar sei. Gäste mit Abreise bis 30.6.2020 würden in der Reihenfolge ihrer Abreise unaufgefordert kontaktiert. Das Team erarbeite gerade alternative Angebote für Reisen im nächsten Jahr. Weiter heißt es: „Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihre Traumreise mit X um ein Jahr verschieben …“ Ferner bittet die Beklagte darum, aktuell von Rückfragen abzusehen, „bis das Schreiben bei Ihnen ist“.

Der Kläger war der Ansicht, durch diese Hinweise würden Kunden davon abgehalten, ihre Reise gegen Rückerstattung des Reisepreises zu stornieren. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers vor dem OLG blieb erfolglos.

Die Gründe:
Es liegt seitens der Beklagten kein Verstoß gegen § 651h Abs. 3 BGB vor.

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beklagte unter Verletzung des § 651 h Abs. 3 BGB gleichwohl eine Entschädigung verlangte oder sich weigerte, im Hinblick auf einen vermeintlichen Entschädigungsanspruch den Reisepreis zurückzuerstatten. Es kommt im Rahmen von § 651 h Abs. 3 BGB nicht darauf an, ob die Beklagte mit ihren Hinweisen auf ihre Umbuchungsbemühungen und mit der Bitte, von Rückfragen einstweilen abzusehen, verschleiert hat, dass die Möglichkeit zum entschädigungslosen Rücktritt bestand. Eine Aufklärungspflicht des Reiseveranstalters über die entschädigungslose Rücktrittsmöglichkeit ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Den Hinweisen auf der Internetseite ließ sich auch nicht entnehmen, dass die Beklagte einen Rücktritt entgegen § 651 h Abs. 3 BGB nicht akzeptieren möchte. Es konnte damit nicht angenommen werden, dass mit den Hinweisen die Ausübung des Rücktrittsrechts vereitelt oder gezielt erschwert werden sollte.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten auch kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung aus §§ 3, 5 Abs. 2 Nr. 7, 8 Abs. 1 UWG zu. Die Hinweise der Beklagten beinhalteten keine Irreführung über die Rechte der Verbraucher im Hinblick auf die coronabedingt nicht durchgeführten Reisen. Entgegen der Ansicht des Klägers wurde keine Fehlvorstellung dergestalt erzeugt, dass dem Reisenden nur das Recht zur Umbuchung, nicht aber zur Stornierung der Reise zustand. Die angegriffenen Äußerungen, die nicht blickfangmäßig herausgestellt waren, mussten im Kontext der gesamten Werbung gesehen werden. Unter der Überschrift „Aktuelle Corona-Informationen“ bedankte sich die Beklagte zunächst dafür, dass „so viele von Ihnen Ihre Wunschreise mit uns aufs nächste Jahr verschoben haben.“ Sie (die Beklagte) wisse es zu schätzen, dass viele „auch Ihre Solidaritätsbekundung durch die hohe Anzahl von Annahmen des Reisegutscheins“ zum Ausdruck gebracht hätten. Diese Angaben deuteten nach dem maßgeblichen Verkehrsverständnis darauf hin, dass die Umbuchung optional und freiwillig war.

Es konnte nicht angenommen werden, dass der situationsadäquat aufmerksame Durchschnittsverbraucher die Äußerungen der Beklagten auf ihrer Internetseite in dem Sinne verstehen würde, dass kein Rücktrittsrecht bzw. keine kostenlose Stornierungsmöglichkeit bestand. Vielmehr würde ein Kunde Informationen, die seine gebuchte und bereits bezahlte Urlaubsreise betrafen, mit der gebotenen Aufmerksamkeit und im Zusammenhang mit den dargestellten Äußerungen zur Kenntnis nehmen. Dabei würde er erkennen, dass die Beklagte lediglich ein Angebot zur Umbuchung unterbreiten wollte.

Durch Formulierungen wie: „Wir würden uns freuen, wenn …“ und durch den eingangs zum Ausdruck gebrachten Dank für die Kooperationsbereitschaft vieler Kunden wurde ohne weiteres deutlich, dass die Akzeptanz der Umbuchung für den Kunden optional war und nicht die einzige Möglichkeit darstellte, der Leistungsstörung zu begegnen. Auch die Bitte, dass von Rückfragen nach Möglichkeit abgesehen werden sollte, bis das Umbuchungsangebot vorliege, würde den Verbraucher nicht zu dem Schluss verleiten, es bestünde gar kein Rücktrittsrecht. Vielmehr war klar ersichtlich, dass es sich nur um einen Apell handelte, den die Beklagte im eigenen Interesse ausgesprochen hatte, der aber nicht die Rechte des Kunden einschränkte.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Entschädigung bei verpasstem Flug wegen überlanger Wartezeit vor der Sicherheitskontrolle
OLG Frankfurt vom 27.01.2022 - 1 U 220/20
MDR 2022, 701

Aufsatz:
Die Entwicklung des Reiserechts der Luftbeförderung einschließlich der EU-Fluggastrechte-VO im Jahre 2020
Ernst Führich, MDR 2021, 909

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.10.2022 14:16
Quelle: LaReDa Hessen

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