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Zinsanpassung bei Prämiensparverträgen durch Wahl des geeigneten Referenzzinssatzes (Knops, ZIP 2022, 1951)

Variable Zinsgestaltungen bei Finanzdienstleistungsverträgen beschäftigen Rechtsprechung und Literatur schon seit Jahrzehnten zum Teil intensiv. Bei sog. Prämiensparverträgen ist besonders umstritten, welcher Zinssatz im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bei (teilweiser) Unwirksamkeit der verwendeten Änderungsklausel für die vorzunehmenden Zinsanpassungen heranzuziehen ist. Maßgebend ist dabei die vorweg zu beantwortende Rechtsfrage, ob als Referenzzins solche mit gleitendem Durchschnitt bzw. von Zeitreihen, in denen solche Durchschnitte bereits ausgewiesen sind, zugrunde zu legen sind, was der uneingeschränkten Nachprüfbarkeit und Feststellung in der Revisionsinstanz unterliegt und deshalb auch keinem Sachverständigen überlassen werden darf. Erst danach kann entschieden werden, welcher Referenzzinssatz bzw. welche Zinsreihe bei langfristigen Sparverträgen als treffend anzusehen ist.

A. Erfordernis nachträglicher Zinsanpassung
B. Berechnung

I. Anfangszins
II. Auswahl des passenden Referenzzinssatzes
1. Öffentlich zugänglicher Zinssatz einer unabhängigen Stelle
2. Strukturelle Ähnlichkeit zu den konkreten Sparverträgen
a. Vertragsstruktur
b. Laufzeit
c. Kündigungsmöglichkeiten
d. Irrelevanz der institutsinternen Kalkulation
3. Gleitende Zinsdurchschnitte oder punktuelle Monatssätze?
a. Funktionsweise
b. Methodik und Aussagekraft
c. Angemessenheit
4. Passender Referenzzinssatz
a. Zinssätze für Einlagen privater Haushalte
aa. Zinsreihe SU0533 bis 2003
bb. Zinsreihe SUD206 ab 2003
cc. Bewertung und Anpassung
b. Alternative Zinsreihen
c. Vergleich
III. Wahrung des Äquivalenzprinzips
IV. Sonstige Anpassungsmodalitäten
1. Anpassungsschwelle
2. Anpassungs- und Prüfungsintervall
C. Zusammenfassung


A. Erfordernis nachträglicher Zinsanpassung

Schon 1997 hatte der BGH in einer Leitentscheidung hervorgehoben, dass Anpassungsklauseln in Versicherungsverträgen, die dem Verwender ein uneingeschränktes Änderungsrecht vorbehalten, ohne dass der Kunde vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihn höhere oder weitere Gebühren treffen, gegen das Transparenzgebot verstoßen und damit unwirksam sind. Etwa zwei Jahre später hat sich auch der Bankrechtsenat entschieden, dass auch einseitige Bestimmungsvorbehalte in Verträgen nur hingenommen werden können, wenn sie den Anlass, aus dem das Bestimmungsrecht entsteht, sowie die Richtlinien und Grenzen seiner Ausübung möglichst konkret angeben. 2004 wurde dann erstmals eine formularmäßige Zinsänderungsklausel, die dem Kreditinstitut eine inhaltlich unbegrenzte Zinsänderungsbefugnis einräumt, bei langfristig angelegten Sparverträgen höchstrichterlich für unwirksam erklärt.

Gut 17 Jahre später haben verschiedene Verbraucherzentralen den Ball aufgenommen und solche in Prämiensparverträgen enthaltenen Formularklauseln bei zahlreichen Instituten angegriffen. Nach diesen Klauseln wird die Spareinlage der Kunden variabel mit einem bestimmten Anfangszinssatz verzinst und dieser Zinssatz nach zumeist nur wenig nachvollziehbaren Kriterien geändert. Völlig erwartungsgemäß wurden und werden solche Zinsabreden von den damit befassten Gerichten verworfen, so dass sich daraus für die Kunden zu allermeist Herauszahlungsansprüche ergeben, die aber nicht leicht zu berechnen sind.

B. Berechnung
Die genaue Berechnungsweise ist höchstrichterlich noch nicht in allen Details abschließend geklärt. Zum einen, weil für die Ausfüllung der durch die (teilweise) Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandenen Lücke eine objektiv-generalisierende Sicht auf die typischen Vorstellungen der an Prämiensparverträgen gleicher Art beteiligten Verkehrskreise maßgebend ist; zum Teil auch deswegen, weil in den Individualverfahren auch Individualabreden zur variablen Verzinsung zu berücksichtigen sind.

Umstritten ist bei sog. Prämiensparverträgen, bei denen die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zum einem bestimmten Sparjahr steigen, welcher Zinssatz im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung für die vorzunehmenden Zinsanpassungen heranzuziehen ist. Konkret geht es darum zu bestimmen, welchen Referenzzins die Parteien gewählt und welche weiteren Regelungen wie vor allem zu den Anpassungsmodalitäten sie getroffen hätten, wenn ihnen bewusst gewesen wäre, dass die konkret verwendete Zinsanpassungsklausel unwirksam ist. Es kommt damit allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an mit der Folge, dass die Parteien (im Nachhinein) weder neue Parameter der Zinsanpassung behaupten noch diese bestreiten können, sondern sich an dem durch Auslegung zu ermittelnden hypothetischen Willen bei Vertragsschluss festhalten lassen müssen, worüber dementsprechend auch nicht Beweis erhoben werden kann. Maßgeblich ist dabei nicht das gesetzliche Leitbild des jeweiligen Vertragstyps, sondern der hypothetische rechtsgeschäftliche Wille der Vertragsparteien, der anhand der getroffenen vertraglichen Regelungen zu ermitteln und im Hinblick auf die auszufüllende Lücke fortzuentwickeln ist.

I. Anfangszins
Eine durch den Tatrichter als unwirksam verworfene Vertragsklausel ist auf die betroffenen Verträge von Beginn an nicht anzuwenden. Umstritten ist, ob die Unwirksamkeit auch den sog. Anfangszins, mithin die Zinsregelung bis zur ersten Anpassung umfasst oder nicht. Weil der anfängliche Vertragszins, der Ausgangspunkt der Zinsänderung ist, nicht der In- ZIP 2022, 1953haltskontrolle unterliegt, ist letztgenannter Auffassung der Vorrang zu geben. Ein in dem jeweiligen Vertrag angegebene Anfangszins von „z.Zt. mit .. %“ bleibt also der Ausgangspunkt der sich daran anschließenden Zinsanpassung durch die ergänzende Vertragsauslegung.

II. Auswahl des passenden Referenzzinssatzes
Als tatrichterliche Frage hat das Gericht in einem ersten Schritt mit sachverständiger Hilfe einen für die in Rede stehenden Verträge passenden Referenzzinssatz zu bestimmen.

1. Öffentlich zugänglicher Zinssatz einer unabhängigen Stelle
Nach Vorgabe des BGH muss es sich bei dem Referenzzinssatz um einen in öffentlich zugänglichen Medien abgebildeten Zinssatz handeln, der von unabhängigen Stellen nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt wird und der die Bank nicht einseitig begünstigt. Wie der BGH bereits in anderen Fällen entschieden hat, genügen diesen Anforderungen...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.10.2022 13:38
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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