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Nachhaltigkeit im Wirtschaftsrecht (Beck, ZIP 2022, 1471)

Das Wirtschaften nachhaltiger zu gestalten, ist eine der großen Aufgaben, vor denen Politik und Unternehmen derzeit stehen. Der vorliegende Beitrag stellt heraus, wo Nachhaltigkeit bereits heute einen Platz im Wirtschaftsrecht gefunden hat und was die Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten bereits nach dem geltenden Recht für Unternehmen bedeutet. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass sich schon nach der bestehenden Rechtslage Unternehmen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sehen können, wenn sie durch Verstöße gegen Nachhaltigkeitsvorgaben Schäden verursachen.

A. Einleitung
B. Statt einer Definition: Eckpunkte eines Begriffsverständnisses

I. Ursprünge des Nachhaltigkeitsbegriffs
1. Die Forstwirtschaft: Man sollte nicht mehr Holz fällen als nachwächst
2. Ein anderes Begriffsverständnis der Nachhaltigkeit – Der Brundtlandbericht aus dem Jahr 1987
3. Ökonomie, Ökologie und Soziales
4. Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte in der Unternehmensleitung – Corporate Social Responsbility
II. Status quo: Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) und die 17 Sustainable Development Goals (SDG)
C. Nachhaltigkeit im Mehrebenensystem
I. Die CSR-Richtlinie und ihre Umsetzung
1. Hintergründe
2. Inhalte
a) Gesetzliche Vorgaben
b) Die Nutzung von Rahmenwerken
3. Vorschlag für eine Änderung der CSR-Richtlinie
II. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
1. Anliegen des Gesetzes
2. Wirkung verschaffen: Erzwingen des Bemühens durch Zwangsgelder
3. Bußgelder
4. Zur zivilrechtlichen Haftung der Unternehmen
a) Keine eigenständige Haftung nach dem LkSG
b) Haftung der Geschäftsleiter für Bußgelder
III. Die deliktische Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeitsverstöße
1. Die deliktische Verantwortlichkeit
2. Die Tatbestandsverwirklichung
a) Keine Schutzgesetzverletzung gem. § 823 Abs. 2 BGB
b) Keine deliktische Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB
c) Aber: Ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 826 BGB)
D. Zusammenfassung


A. Einleitung

Nachhaltigkeit ist eines der aktuellen Themen und eine der Aufgaben unserer Zeit. Vielfach vollziehen sich im Wirtschaften und im täglichen Leben Umstrukturierungsprozesse, die von der Erkenntnis getragen werden, dass es notwendig ist, einen nachhaltigen Umgang mit der Welt und ihren Menschen zu pflegen. Dieses Anliegen wird nicht nur von Einzelnen vorangebracht, sondern hat weltweit politische Aufmerksamkeit und Förderung erfahren. Die Umsetzung solcher Zielsetzungen stellt Herausforderungen auch an das Recht. Die größte dürfte dabei sein, im Recht überhaupt ein Bewusstsein und ein Verständnis für die Zielsetzung „Nachhaltigkeit“ zu schaffen. Dazu skizziert der vorliegende Beitrag zunächst, was „Nachhaltigkeit“ überhaupt bedeutet (B.), um sodann exemplarisch zu zeigen, wo sie im Wirtschaftsrecht für Unternehmen bereits heute Relevanz hat und dabei insbesondere die deliktische Haftung für Nachhaltigkeitsverstöße herauszustellen (C.). Zum Abschluss werden die zentralen Aussagen des Beitrags zusammengefasst (D.).

B. Statt einer Definition: Eckpunkte eines Begriffsverständnisses

I. Ursprünge des Nachhaltigkeitsbegriffs

Bei Nachhaltigkeit handelt es sich um eine Querschnittsthematik. Sie berührt unterschiedliche Handlungsfelder verschiedenster Disziplinen. Das Recht kennt den Begriff nicht autonom und definiert ihn auch für seine Zwecke nicht. Eine rechtliche Behandlung der Nachhaltigkeit kann deshalb nur auf dem aufbauen, was andere Fächer in das Verständnis des Begriffs hineinlegen. Für das Wirtschaftsrecht maßgeblich ist dabei die Entwicklung des Begriffs in der Wechselwirkung des ökonomischen und des politischen Verständnisses.

1. Die Forstwirtschaft: Man sollte nicht mehr Holz fällen als nachwächst
Das Konzept der Nachhaltigkeit wird erstmals in der Forstwirtschaft in einem Werk aus dem Jahr 1713 ausgemacht: Bei von Carlowitz findet sich die Forderung zur kontinuierlichen, beständigen und nachhaltenden Nutzung des Forstes. Diese lässt sich simpel auf das Folgende herunterbrechen: Es darf nur so viel Holz geschlagen werden, wie wieder nachwächst. Die so beschriebene Nachhaltigkeit ist ein ökonomisches Leitprinzip, das auf das eigene Wirtschaften angewendet werden kann oder sogar anzuwenden ist. Die Notwendigkeit dieses nachhaltigen Handelns wird hier ohne weiteres deutlich: Kommt es zu einer Übernutzung – wird mehr Holz gefällt, als nachwachsen kann – sind der langfristige Erfolg und der Bestand des Unternehmens gefährdet. Dieses so verstandene Prinzip der Nachhaltigkeit lässt sich auf andere Bereiche übertragen. Es dürfen nicht mehr Ressourcen verbraucht werden, als sich regenerieren. Nimmt man den Begriff ernst, bedeutet das zugleich aber auch, dass es Nachhaltigkeit dort nicht geben kann, wo Ressourcen (zumindest in einem für den Menschen erfassbaren Zeitraum) nicht nachwachsen.

2. Ein anderes Begriffsverständnis der Nachhaltigkeit – Der Brundtlandbericht aus dem Jahr 1987
Mit dem Brundtlandbericht („Unsere gemeinsame Zukunft“) der Vereinten Nationen (UN) erhielt Nachhaltigkeit einen anderen Zuschnitt. Dort wurde im Jahr 1987 eine Entwicklung als nachhaltig definiert, „die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“. Das ist ein ganz anderer Ansatz als das, was ursprünglich über eine nachhaltige Forstwirtschaft zu lesen war und auch als der Gedanke einer darauf aufbauenden Verallgemeinerung bei der Ressourcennutzung in der Ökonomie (oben B I 1). Es steht nicht mehr nur der wirtschaftliche Erfolg im Zentrum des Interesses. Vielmehr geht es um Verantwortung für die künftigen Generationen. Die Verantwortung für die eigene Generation ist selbstverständlich auch enthalten, wenn davon die Rede ist, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen. Programmatisch relevanter ist aber in der Nachhaltigkeitsdebatte in der Regel der Blick nach vorn. Indem die Nachhaltigkeit nun danach fragt, wie man der Verantwortung für die künftigen Generationen gerecht werden kann, wurde sie nicht mehr nur als ökonomisches Prinzip genutzt, um den eigenen unternehmerischen Erfolg dauerhaft zu sichern. Die Nachhaltigkeit wurde vielmehr zu einem politischen Leitprinzip.

3. Ökonomie, Ökologie und Soziales
Nachhaltigkeit wurde in der Folge bei mancher Abweichung im Detail verbreitet in einem Drei-Säulen-Modell abgebildet, das Ökonomie, Ökologie und Soziales als die drei Säulen der Nachhaltigkeit beruft. Anders dargestellt finden sich diese Überlegungen in Ansätzen des Nachhaltigkeits-Dreiecks; formuliert wird auch der Ansatz der Triple Bottom Line mit People, Planet, Profit (PPP). Diesen herrschenden Modellen liegt die Fragestellung zugrunde, wie der ökonomische Erfolg eines Unternehmens umwelt- und sozialverträglich realisiert werden kann.

4. Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte in der Unternehmensleitung – Corporate Social Responsbility
Die Nichtberücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte in der Unternehmensführung wirkt sich anders als die ursprünglich abzuwehrende Übernutzung der Ressourcen (s. oben B I 1) nicht zwingend auf den Unternehmenserfolg und auch nicht auf den Fortbestand des Unternehmens aus. Unter Ausblendung gesetzlicher Vorgaben, die Unternehmen auf die Nachhaltigkeit verpflichten, darf man danach fragen, warum Unternehmen aus ökonomischer Sicht überhaupt entsprechend verfahren sollten. Will man eine normative Begründung dafür heranziehen, warum es sogar notwendig ist, dass Unternehmen nicht nur nach ökonomischem Erfolg streben, sondern auch...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.08.2022 10:28
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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