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BGH v. 2.6.2022 - V ZR 132/21

Pfändung und Einziehung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld

Die Pfändung und Einziehung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld umfasst grundsätzlich das Recht des Vollstreckungsgläubigers, im Wege der Vollstreckung die Löschung der Grundschuld zu verlangen. Wann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber die Grundschuld zurückgewähren muss, bestimmt sich nach der Sicherungsvereinbarung.

Der Sachverhalt:
Die beklagte Sparkasse steht seit 1993 mit Herrn D (nachfolgend: Sicherungsgeber) in einer Geschäftsbeziehung. Der Sicherungsgeber führt bei der Beklagten ein Girokonto als Pfändungsschutzkonto, für welches ihm kein Kreditrahmen eingeräumt ist. Im April 2021 wies das Konto einen Sollsaldo von 3,50 € auf. Weitere zu sichernde Forderungen der Beklagten ggü. dem Sicherungsgeber bestehen derzeit nicht.

Der Sicherungsgeber ist Eigentümer einer Eigentumswohnung. Zugunsten der Beklagten sind in Abteilung III des Grundbuchs unter der laufenden Nummer 3 eine brieflose Grundschuld i.H.v. 95.000 DM nebst 15 % Jahreszinsen sowie unter der laufenden Nummer 4 eine brieflose Grundschuld i.H.v. 50.000 DM nebst 15 % Jahreszinsen eingetragen. In der Zweckerklärung des Sicherungsgebers aus dem Jahr 1998 heißt es, dass die Grundschulden nebst Zinsen und Nebenleistung zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Beklagten gegen den Sicherungsgeber aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung dienen. Ferner enthält die Zweckerklärung folgende Bestimmung:

"1.6 Freigabe der Sicherheiten
Sobald die Sparkasse wegen aller ihrer Ansprüche - auch bedingter oder befristeter - gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, ist sie - auf entsprechendes Verlangen - verpflichtet, ihre Rechte aus der/den Grundschuld(en) freizugeben. Sie ist schon vorher auf Verlangen zur Freigabe verpflichtet, soweit sie die Grundschuld(en) nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche nicht mehr benötigt."

Ziffer 4 der Zweckerklärung enthält den Hinweis, dass ergänzend die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Vertragsbestandteil sind und diese in den Kassenräumen der Sparkasse zur Einsichtnahme aushängen/ausliegen. Nr. 22 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthält folgende Regelung:

"Die Sparkasse ist auf Verlangen zur Freigabe von Sicherheiten nach ihrer Wahl verpflichtet, soweit der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der Sparkasse nicht nur vorübergehend um mehr als 10 v.H. übersteigt."

Der Sicherungsgeber hat ggü. dem klagenden Land Steuerschulden nebst Zinsen i.H.v. ca. 40.000 €. Aufgrund vollstreckbarer Anträge des Finanzamtes sind im Januar 2015 in das Wohnungsgrundbuch unter den laufenden Nrn. 5 und 6 zugunsten des klagenden Landes Zwangssicherungshypotheken i.H.v. ca. 4.500 € und 40.500 € eingetragen worden.

Wegen der Steuerschulden des Sicherungsgebers erließ das Finanzamt ggü. dem Sicherungsgeber und der Beklagten im Januar 2015 mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, mit denen u.a. Ansprüche des Sicherungsgebers auf Rückgewähr oder Teilrückgewähr der zugunsten der Beklagten eingetragenen Grundschulden sowie das Recht des Sicherungsgebers auf Zustimmung zur Löschung aus § 1183 BGB gepfändet wurden.

Das klagende Land verlangt von der Beklagten, die Löschung der Grundschulden zu bewilligen. Das LG gab der Klage statt. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wies das OLG die Klage ab. Der BGH hat nun auch die Revision des klagenden Landes zurückgewiesen.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht meint, der Rückgewähranspruch des Sicherungsgebers gegen die Beklagte sei zwar mit Abschluss der Sicherungsabrede und der Eintragung der Grundschulden in das Grundbuch entstanden. Er sei aber nicht fällig, weil die aufschiebende Bedingung, unter der er stehe, noch nicht eingetreten sei. Erst nach Bedingungseintritt müsse der Sicherungsnehmer auf Verlangen die Grundschulden zurückgewähren. Zeitpunkt und Form der Rückgewährverpflichtung bestimme die Sicherungsvereinbarung. Bei der hier vorliegenden weiten Sicherungsvereinbarung, die eine Revalutierung der Grundschulden erlaube, trete die aufschiebende Bedingung nicht schon mit der Tilgung der Verbindlichkeit ein, die Anlass für die Bestellung der Grundschulden gewesen sei. Eine Rückgewähr könne erst dann verlangt werden, wenn der Sicherungszweck endgültig entfalle, weil keine Revalutierung mehr in Betracht komme. Dass eine Neuvalutierung noch erfolgen könne, erscheine nicht ausgeschlossen. Unbeschadet dessen fehle es auch deshalb an dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung, unter der der gepfändete Rückgewähranspruch stehe, da nach der Zweckerklärung die Verpflichtung zur Freigabe erst auf Verlangen des Sicherungsgebers eintrete. An einem derartigen Freigabeverlangen fehle es. Die Geltendmachung des Freigabeanspruchs durch das klagende Land genüge nicht, denn in der Freigabeaufforderung liege eine konkludente Kündigung der Sicherungsvereinbarung, zu der nur der Sicherungsgeber und nicht auch der Pfändungsgläubiger berechtigt sei.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht stellt rechtsfehlerfrei und von der Revision als ihr günstig nicht angegriffen fest, dass das klagende Land Ansprüche des Sicherungsgebers gegen die Beklagte auf Rückgewähr der Grundschuld wirksam gepfändet (§§ 321 Abs. 1, 309 AO) und sich zur Einziehung hat überweisen lassen (§§ 314, 315 AO).

Die Pfändung und Einziehung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld umfasst grundsätzlich das Recht des Vollstreckungsgläubigers, im Wege der Vollstreckung die Löschung der Grundschuld zu verlangen.

Wann, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber die Grundschuld zurückgewähren muss, bestimmt sich nach der Sicherungsvereinbarung. Ist ein weiter Sicherungszweck vereinbart, der eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, kann die Rückgewähr erst dann verlangt werden, wenn eine solche Revalutierung endgültig nicht mehr in Betracht kommt; das ist (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung endet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde (Fortführung von BGH v. 19.4.2013 - V ZR 47/12).

Der Anspruch des Sicherungsgebers auf Teilfreigabe einer Sicherheit setzt den Eintritt einer insoweit endgültigen Übersicherung des Sicherungsnehmers und damit den Wegfall des Sicherungszwecks voraus. Das ist bei einer weiten Sicherungsvereinbarung (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer beendet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde.

Im Verlangen auf Rückgewähr einer nicht oder nicht voll valutierten Grundschuld liegt regelmäßig die konkludente Kündigung einer weiten Sicherungsabrede.

Der Vollstreckungsgläubiger, der einen Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückgewähr einer Grundschuld pfändet, ist nicht berechtigt die Sicherungsvereinbarung oder die Geschäftsbeziehung zum Sicherungsnehmer zu kündigen; die Pfändung des Rückgewähranspruchs verschafft ihm nicht das Kündigungsrecht.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Vollstreckung durch den Titelgläubiger nach Abtretung einer Grundschuld
BGH vom 6.7.2018 - V ZR 115/17
MDR 2018, 1463

Handbuch Bankrecht und Kapitalmarktrecht
6. Sicherheitenfreigabe

Federlin in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried (Hrsg.), Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.07.2022 13:10
Quelle: BGH online

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