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Aktuell in der ZIP

Zeitpunkt der Verwertung von unbelasteten börsengehandelten Vermögenswerten im Insolvenzverfahren (Hageböke/Springer, ZIP 2022, 1311)

Befinden sich im Vermögen des Insolvenzschuldners zur Kapitalanlage börsengehandelte Vermögenswerte (Aktien, Zertifikate, Anleihen, Kryptowährungen, Rohstoffe etc.), stellt der Verwertungsvorgang als solcher kein Problem dar. Allerdings ist – soweit ersichtlich – noch nicht geklärt, zu welchem Zeitpunkt der Insolvenzverwalter die Werte zu verwerten hat. Die maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung des Zeitpunkts werden in diesem Beitrag dargestellt.


I. Problemaufriss

II. Meinungsstand

1. Kein Recht auf Spekulation

2. Gebotenheit einer unverzüglichen Verwertung

3. Gebotenheit einer bestmöglichen Verwertung

4. Gebotenheit eines risikoadjustierten Deinvestments

5. Besonderheiten bei Investment- und Utility-Tokens

III. Stellungnahme

1. Abwarten des Berichtstermins erforderlich?

a) Grundsatz

b) Ausnahme

2. „Unverzügliche“ Verwertung

a) Wortlaut

b) Systematik

c) Historie

d) Sinn und Zweck

3. Auflösung des (vermeintlichen) Spannungsverhältnisses zwischen § 159 InsO und § 1 Satz 1 InsO

4. Absicherung des Ergebnisses: Die Dogmatik zur vorübergehenden Unternehmensfortführung

IV. Auswirkungen auf einzelne Vermögenswerte

1. Höchst-volatile Werte

2. Hoch-volatile Werte

3. Normal-volatile Werte

V. Fazit


I. Problemaufriss

Das Insolvenzverfahren dient gem. § 1 Satz 1 InsO insbesondere dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird. Gem. § 35 Abs. 1, §36 InsO umfasst der Insolvenzbeschlag das gesamte pfändbare Vermögen, das der Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens hatte und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Da an die Insolvenzgläubiger nur Geld verteilt werden kann („Barmittel“, § 187 Abs. 2 Satz 1 InsO), müssen alle nicht in Geld bestehenden Vermögenswerte verwertet werden. Befinden sich im Vermögen des Insolvenzschuldners unbelastete börsengehandelte Werte wie Aktien, Zertifikate, Anleihen, Kryptowährungen oder Rohstoffe, gehören diese wegen ihrer Pfändbarkeit zur Insolvenzmasse und müssen zur Erlangung von Barmitteln verwertet werden.

Die Verwertung durch den Insolvenzverwalter setzt voraus, dass die Vermögenswerte zuvor in Besitz und Verwaltung genommen wurden (§ 148 Abs. 1, § 149 InsO). Befinden sich Kryptowährungen in der Insolvenzmasse, kann es im Falle von unkooperativen Insolvenzschuldnern bei der Übernahme der entsprechenden Werte zu erheblichen Schwierigkeiten kommen. Diese resultieren namentlich daraus, dass sich Kryptowährungen, im Gegensatz zu klassischen börsengehandelten Werten, nicht in Verwahrung bei mit Depotbanken vergleichbaren Kryptoverwahrern befinden müssen, sondern auch in institutsunabhängigen Wallets verwahrt werden können. Insoweit können die schuldnerischen Kryptowährungen – anders als traditionelle Wertpapiere – nicht in alleiniger Absprache mit dem zuständigen Kryptoverwahrer ohne Mitwirkung des Schuldners übernommen werden. Vielmehr setzt der Zugriff auf die in einer schuldnerischen Wallet verwahrten Kryptowerte durch den Insolvenzverwalter regelmäßig die Mitwirkung des Insolvenzschuldners voraus. Dieses Abhängigkeitsverhältnis soll für den Fall, dass es dem Insolvenzschuldner an Kooperationsbereitschaft fehlt, durch die (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.07.2022 15:27
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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