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OLG Karlsruhe v. 11.5.2022 - 6 U 362/21

E-Zigaretten: Verdampferkopf stellt kein von § 10 Abs. 3, 4 JuSchG erfasstes Erzeugnis dar

Ein einzelnes Bauteil (hier: ein Verdampferkopf), das ausschließlich dazu geeignet und bestimmt ist, als Bestandteil elektronischer Zigaretten verwendet zu werden, aber (noch) nicht Nikotin oder die in § 10 Abs. 4 JuSchG bezeichnete Flüssigkeit enthält, ist kein von § 10 Abs. 3, 4 JuSchG erfasstes nikotinhaltiges Erzeugnis oder nikotinfreies Erzeugnis. Ob ein Verdampferkopf als "Behältnis" unter diese Vorschrift fällt, bleibt offen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien handeln über das Internet mit Zubehör für E-Zigaretten. Der Beklagte ließ Kunden sog. Coils (Verdampferköpfe) per normaler Warenpost ohne Alterssichtprüfung zustellen. Die Klägerin stellte dies im September 2021 fest und forderte den Beklagten zur Unterlassung wegen Zuwiderhandlung gegen § 3 Abs. 3, § 3a UWG auf. Das Abmahnschreiben führte insbesondere aus, „jeder Bestandteil einer E-Zigarette“, wie Coils als „zwingend notwendige Bestandteile einer E-Zigarette“, falle unter die Begriffe „E-Zigarette“ und „nikotinfreies Erzeugnis“ i.S.v. § 10 Abs. 4 JuSchG.

Der Beklagte den Vorwurf des Gesetzesverstoßes mit der Begründung zurück, dass keine kompletten Verdampfer angeboten bzw. veräußert worden seien. Dazu führte er insbesondere sinngemäß aus: Ein Coil könne allenfalls ein Behältnis i.S.v. § 10 Abs. 3, 4 JuSchG sein. Das Jugendschutzgesetz beziehe sich nicht auf Coils als bloße Ersatzteile für einen Verdampfer, der – anders als die Coils – ein Behältnis i.S.v. § 10 Abs. 3, 4 JuschG sei. Der Beklagte verpflichtete sich gleichwohl gegenüber der Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach-und Rechtslage, jedoch rechtsverbindlich, im Fernabsatz Vorkehrungen zu treffen, um eine Abgabe dieser Waren an Kinder und Jugendliche zu verhindern.

Die Klägerin wies die Unterlassungserklärung als nicht ausreichend zurück, weil die durch die Verletzungshandlung indizierte Wettbewerbswidrigkeit nicht nur Coils, sondern – abstrakter – sämtliche Bestandteile von E-Zigaretten umfasse und nur eine solche Abstrahierung das Charakteristische der Verletzungshandlung, seinen Kern, zum Ausdruck zu bringen vermöge. Auf Antrag der Klägerin untersagte das LG dem Beklagten im Weg der einstweiligen Verfügung den Vertrieb der sog. Coils. Auf Widerspruch des Beklagten hat es die einstweilige Verfügung aufgehoben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen. Hinsichtlich des nach § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1; § 13 Abs. 3, § 3 Abs. 1, 2; § 3a UWG i.V.m. § 10 Abs. 3, 4 JuSchG entstandenen Unterlassungsanspruch sei die Wiederholungsgefahr dadurch entfallen, dass der Beklagte eine auf die konkrete Verletzungsform zugeschnittene Unterlassungserklärung abgegeben habe.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Die von der Berufung angegriffene, mit dem Wegfall der Wiederholungsgefahr begründete Verneinung des Verfügungsanspruchs – den die Klägerin nicht (teilweise) auf Erstbegehungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG stützt, die auch nicht vorliegt – lässt keine Verletzung des Rechts zum Nachteil der Klägerin erkennen.

Die Klägerin meinte, der Beklagte habe der gesetzlichen Vorschrift in § 10 Abs. 3, 4 JuSchG zuwidergehandelt. Dies kann zu ihren Gunsten unterstellt werden, obgleich diese Annahme zumindest hinsichtlich der dafür klägerseits angeführten rechtlichen Erwägungen nicht frei von möglichen Zweifeln sein mag:

Zwar dürfen nach § 10 Abs. 3 JuSchG Tabakwaren und andere nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse Kindern und Jugendlichen weder im Versandhandel angeboten noch an Kinder und Jugendliche im Wege des Versandhandels abgegeben werden. Dies gilt nach § 10 Abs. 4 JuSchG auch für nikotinfreie Erzeugnisse, wie elektronische Zigaretten oder elektronische Shishas, in denen Flüssigkeit durch ein elektronisches Heizelement verdampft und die entstehenden Aerosole mit dem Mund eingeatmet werden, sowie für deren Behältnisse. Allerdings handelt es sich bei solchen Verdampferköpfen, wenn sie - wie hier - (noch) kein Nikotin oder nikotinfreies Genussmittel wie etwa ein nikotinfreies Liquid enthalten, weder um Tabakwaren oder andere nikotinhaltige Erzeugnisse noch um nikotinfreie Erzeugnisse, wie elektronische Zigaretten oder elektronische Shishas, in denen Flüssigkeit durch ein elektronisches Heizelement verdampft und die entstehenden Aerosole mit dem Mund eingeatmet werden.

Insbesondere erfasst der Begriff „elektronische Zigaretten“ in § 10 Abs. 4 JuSchG entgegen der Ansicht der Klägerin (die das LG auch beim Erlass der einstweiligen Verfügung ausweislich deren Gründen eingenommen hatte) und der vorgelegten Rechtsprechung (LG Köln, Beschl. v. 14.5.2021 - 31 O 62/21; wohl auch LG Mannheim, Beschl. v. 3.2.2021 - 23 O 8/21) nicht einzelne Bauteile, die dazu geeignet sind, als („notwendige“ oder - was die Klägerin wohl eher meinte - ausschließlich zu diesem Zweck geeignete) Bestandteile solcher elektronischen Zigaretten verwendet zu werden, aber (noch) nicht die in § 10 Abs. 4 JuSchG bezeichnete Flüssigkeit enthalten; sie unterfallen auch nicht dem Oberbegriff „nikotinfreie Erzeugnisse“. Infolgedessen stellt ein einzelnes Bauteil (hier: Verdampferkopf), das ausschließlich dazu geeignet und bestimmt ist, als Bestandteil elektronischer Zigaretten verwendet zu werden, aber (noch) nicht Nikotin oder die in § 10 Abs. 4 JuSchG bezeichnete Flüssigkeit enthält, kein von § 10 Abs. 3, 4 JuSchG erfasstes nikotinhaltiges Erzeugnis oder nikotinfreies Erzeugnis dar. Ob ein Verdampferkopf als "Behältnis" unter diese Vorschrift fällt, kann offen bleiebn.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.06.2022 12:01
Quelle: Landesrechtsprechung Baden-Württemberg

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