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Die Rückforderung unzulässiger Ausschüttungen an Vereinsmitglieder (Fehrenbach, ZIP 2022, 1181)

Inzwischen dürfte allgemein anerkannt sein, dass im nicht-wirtschaftlichen Verein Zuwendungen aus Mitteln des Vereins an die Mitglieder verboten sind. Unklar ist jedoch, welche Sanktionen an solche verbotenen Zuwendungen geknüpft sind. Der Beitrag befasst sich mit der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage eine Rückforderung stattfinden kann. Mit Überlegungen zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung und der Insolvenzanfechtung stehen rechtsformneutrale Ansprüche im Zentrum, deren Anwendungsbereiche über das Vereinsrecht hinausreichen.

A. Ausgangspunkt
B. Die Rückforderung unerlaubter Zuwendungen durch den Verein

I. Kapitalerhaltungsrecht der Kapitalgesellschaften
II. Bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche
1. Das Fehlen des bereicherungsrechtlichen Rechtsgrunds
a) Vertretungsrechtliche Lösungen im Schrifttum
b) Unmittelbar bereicherungsrechtlicher Ansatz
2. Die Rechtsfolgen des Bereicherungsausgleichs
a) Kondiktionsausschluss nach § 814 Alt. 1 BGB
b) Entreicherungseinwand des § 818 Abs. 3 BGB
III. Schadensersatzansprüche wegen Verletzung der mitgliedschaftlichen Sonderverbindung
C. Die Rückforderung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vereins
I. Rückforderungsansprüche des Vereins
II. Insolvenzanfechtungsansprüche
1. Gesellschafterfinanzierung (§ 135 InsO)
2. Schenkungsanfechtung (§ 134 InsO)
3. Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO)
D. Fazit


A. Ausgangspunkt

Nach der viel beachteten Kita-Entscheidung des BGH stellt die Anerkennung eines Vereins als gemeinnützig nach den §§ 51 ff. AO ein herausragendes Indiz dafür dar, dass der Zweck des Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. §§ 21, 22 BGB gerichtet ist. Ist der Verein als gemeinnützig anerkannt, ergibt sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO das Verbot von Zuwendungen aus Mitteln des Vereins an die Mitglieder und zum Zwecke der Feststellung der Gemeinnützigkeit nach § 60a AO muss dieses Verbot nach § 60 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 3 Satz 2 der Mustersatzung in die Satzung des Vereins aufgenommen werden.

Die Entscheidung hat der Diskussion über das richtige Kriterium zur Abgrenzung des nicht-wirtschaftlichen Vereins (§ 21 BGB) zum wirtschaftlichen Verein (§ 22 BGB) neuen Schwung verliehen. Im Schrifttum hält man die bisher überwiegend vertretene und auf Karsten Schmidt zurückgehende typologische Abgrenzungsmethode inzwischen für überholt. Man sieht nun entweder in der Gewinnerzielungsabsicht, die im Interesse der Vermeidung einer fruchtlosen Forschung nach den subjektiven Motiven der Beteiligten besser objektiviert und als strukturelle Gewinnausrichtung bezeichnet werden sollte, oder im Verbot, Gewinne auszuschütten, das entscheidende Abgrenzungskriterium. Hält man das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht oder einer strukturellen Gewinnausrichtung für das zutreffende Kriterium, so ist damit ebenfalls gesagt, dass das Vermögen des nicht-wirtschaftlichen Vereins ausschließlich für den Vereinszweck und nicht zur Ausschüttung an die Mitglieder zu verwenden ist. Der Unterschied zwischen den Ansätzen besteht damit allein darin, dass ersterer auch die Thesaurierung von Mitteln beschränkt. Gleichviel welchem Ansatz man folgt, ist jedenfalls das Verbot von Zuwendungen aus Mitteln des Vereins an die Mitglieder zwischenzeitlich anerkannt.

Angesichts des Umstands, dass sich ein Vereinsmitglied von seiner Mitgliedschaft typischerweise einen Nutzen verspricht, der, obzwar meist nicht unmittelbar monetärer Natur, häufig aber dennoch bepreist werden kann, erscheint es schwierig zu bestimmen, wann eine verbotene Zuwendung vorliegt. Im Schrifttum möchte Leuschner insoweit auf die Auskehr von Liquidität oder liquiditätsähnlicher Mittel abstellen. Dem wird man sich anschließen können, selbst wenn der Begriff der Liquiditätsähnlichkeit, der enger sein muss als der Begriff des Vermögensvorteils, noch näherer Konturierung harrt. Die derart bestimmten verbotenen Zuwendungen können offen erfolgen. Häufig geschieht dies indes verdeckt, beispielsweise in Form der Einräumung überhöhter Vergütungs- oder Aufwendungsersatzansprüche oder für den Verein ungünstiger Austauschgeschäfte.

Unklar erscheint, welche Sanktionen an verbotswidrige Zuwendungen geknüpft sind. Dem Gedanken, in der unerlaubten wirtschaftlichen Betätigung des nicht-wirtschaftlichen Vereins eine nachträgliche, verdeckte Rechtsformverfehlung zu sehen und an diese eine Durchgriffshaftung zu knüpfen, hat der BGH eine Absage erteilt. Vielmehr soll allein das Amtslöschungsverfahren nach § 395 FamFG in Betracht kommen. Eine Rechtsformverfehlung soll allerdings schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit allenfalls bei erheblichen Verstößen anzunehmen sein und kommt jedenfalls nicht bei nur punktuellen verbotenen Ausschüttungen in Betracht. 15 Primäre Sanktion einer verbotswidrigen Zuwendung muss daher deren Rückforderung sein. Die Möglichkeiten zur Rückforderung sollen im Folgenden näher untersucht werden.

B. Die Rückforderung unerlaubter Zuwendungen durch den Verein

I. Kapitalerhaltungsrecht der Kapitalgesellschaften
Überlegenswert erscheint zunächst, ob nicht die Kapitalerhaltungsrechte der Aktiengesellschaft (§§ 57, 62 AktG) oder der GmbH (§§ 30, 31 GmbHG) 16 analog anzuwenden sind.

Gegenstand dieser Kapitalerhaltungsregime ist aber weniger das Verbot von Ausschüttungen an die Mitglieder, als vielmehr die Begrenzung der zulässigen Zuwendungen an die Gesellschafter. § 57 Abs. 3 AktG erlaubt explizit die Ausschüttung eines Bilanzgewinns und § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ermöglicht den Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen sogar bis zur Grenze des Stammkapitals. Im Übrigen bauen beide Regime auf einer Bilanzierungspflicht auf, welche zwar...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 22.06.2022 09:20
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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