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Aktuell in der ZIP

Aktiengesetz und COVMG als Vorbild für die elektronische Abstimmung über den Restrukturierungsplan (Harig/Stamme, ZIP 2021, 2105)

Die seit dem ARUG I in § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG vorgesehene Möglichkeit der elektronischen Teilnahme an der Hauptversammlung erhielt pandemiebedingt durch das COVMG weitere Beschleunigung. Seit Frühjahr 2020 mussten aufgrund der COVID-19-Pandemie Hauptversammlungen mittels elektronischer Teilnahmemöglichkeit komplett virtuell durchgeführt werden. Zum 1.1.2021 trat das SanInsFoG in Kraft und damit auch das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz – StaRUG). Die Abstimmung über einen Restrukturierungsplan ist nach dem StaRUG auch im Wege elektronischer Teilnahme möglich. Die Vergleichbarkeit der Versammlungssituationen sowie die zeitliche Nähe der Umsetzung von COVMG und StaRUG bieten Anlass, das Aktienrecht nach Ansätzen für die elektronische Teilnahme im Sinne des StaRUG zu betrachten.

I.  Die elektronische und virtuelle Hauptversammlung nach dem Aktiengesetz und dem COVMG
II.  Parallelen zwischen der Hauptversammlung nach dem Aktiengesetz und der Abstimmung Planbetroffener nach dem StaRUG und der InsO
III.  Außergerichtliche Planabstimmung nach StaRUG und elektronische Teilnahme
IV.  Gerichtliche Planabstimmung und elektronische Teilnahme nach § 128a ZPO
V.  Übertragbarkeit der Praxis aus dem AktG auf die außergerichtliche Planabstimmung nach §§ 17 ff. StaRUG

1.  Auskunftsrecht
2.  Zur Beurteilung des Plans relevante Verhältnisse
3.  Umfang der Redezeit
VI.  Fazit


I.  Die elektronische und virtuelle Hauptversammlung nach dem Aktiengesetz und dem COVMG

Der Hauptversammlung als Organ der AG – nicht den einzelnen Aktionären – kommt die Aufgabe der internen, kollektiven Willensbildung zu. Dabei stehen der Hauptversammlung, aber auch den einzelnen Aktionären Rechte zu, um dieses kollektive Informationsbedürfnis zu befriedigen (z.B. das Auskunftsrecht gem. § 131 AktG).

Seit dem ARUG I können Aktiengesellschaften laut § 118 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 AktG in ihren Satzungen die Möglichkeit zur Teilnahme an der Hauptversammlung durch Fernkommunikationsmittel einräumen. Dabei können die AG zwischen der Übertragung und passiven Beteiligung der Aktionäre nach Abs. 4, der aktiven Beteiligung der Aktionäre durch elektronische Stimmabgabe nach Abs. 2 und der Schaffung einer vollwertigen elektronischen Teilnahmemöglichkeit nach Abs. 1 wählen. Durch diese Wahlmöglichkeit bleibt den AG ein erhebliches Maß an Satzungsautonomie erhalten.

Durch das ARUG II aus 2019 wurde die Bestätigung der elektronischen Stimmabgabe zum Schutz der Aktionäre in § 118 Abs. 1 Satz 3 AktG aufgenommen. Auch nach dieser Regelung beinhaltet das Gesetz noch keinen vollständigen Verzicht auf eine in Präsenz abgehaltene Hauptversammlung. Den Aktionären bleibt das nicht beschränkbare Recht auf Teilnahme an der Präsenzveranstaltung.

Unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie in 2020 reagierte der Gesetzgeber, um den AG eine Hauptversammlung auch unter den Versammlungsbeschränkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu ermöglichen. Hierfür wurden die Regelungen des COVMG eingeführt. Dadurch konnte der Vorstand vorübergehend (zunächst nur für die Hauptversammlungen im Jahr 2020) auch ohne die Satzungsermächtigung und mit Zustimmung des Aufsichtsrates, die elektronische Teilnahme der Aktionäre ohne physische Präsenz zulassen, § 1 Abs. 1, 6 COVMG. Dies wurde durch die Ausübung der Verlängerungsoption aus § 8 COVMG auch für die Hauptversammlungen im Jahr 2021 ermöglicht. Die Durchführung der „virtuellen“ Hauptversammlung im Rahmen des COVMG lässt nach dem Willen des Gesetzgebers allerdings kein mit § 131 AktG vergleichbares Auskunftsrecht zu. In der Praxis stößt das auf verschiedene Probleme technischer und rechtlicher Natur.

Für die Gewährleistung der Rechte der Aktionäre ist die technische Infrastruktur von wesentlicher Bedeutung. Der Gesetzgeber des ARUG I verzichtete auf konkrete Empfehlungen und verlangte lediglich, dass die Maßnahmen dem Stand der Technik entsprechen. Die Auswirkungen dieser Formulierung zeigen sich nach der – pandemiebedingt – ersten virtuellen Hauptversammlungssaison im Jahr 2020. Grundsätzlich sind die Hauptversammlungen von technischen Störungen verschont geblieben. IT-Sicherheitsexperten sehen Handlungsbedarf bei den Aktiengesellschaften.

Auch auf rechtlicher Ebene ergeben sich, vor allem aufgrund der Regelungen des COVMG, Probleme mit der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte in der virtuellen Hauptversammlung. Es wurde zunächst insbesondere kritisiert, dass das sonst starke Auskunftsrecht der Aktionäre gem. § 131 AktG im Rahmen der Regelungen des COVMG zu einer leeren Hülle verkomme. Durch das Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung wurden die Regelungen für nach dem 28.2.2021 durchzuführende Hauptversammlungen angepasst. Hierdurch wurde die in 2020 durch § 1 COVMG gegebene Möglichkeit zur Fragestellung zu einem Fragerecht der Aktionäre aufgewertet.

Beispielhaft für ein klassisches Problem im aktienrechtlichen Auskunftsrecht sei auf das Mündlichkeitserfordernis der Auskunftserteilung verwiesen. Nach ganz herrschender Ansicht ist auf ein mündlich vorgebrachtes Auskunftsverlangen auch mündlich zu antworten. Der Aktionär hat keinen Anspruch auf eine schriftliche Auskunftserteilung. Auch die Erfüllungswirkung von schriftlichen Auskünften kann nach dem Grundsatz der Mündlichkeit nur von speziell gesetzlich geregelten Ausnahmen durchbrochen werden. Die Gegenansicht argumentiert einerseits mit der neutralen Formulierung „Auskunft geben“ im § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG. Andererseits sei durch eine schriftliche Auskunft der Sinn und Zweck des Auskunftsrechts ebenso erreicht wie durch eine mündliche Auskunft.

II.  Parallelen zwischen der Hauptversammlung nach dem Aktiengesetz und der Abstimmung Planbetroffener nach dem StaRUG und der InsO
Die Situation einer Hauptversammlung ist vergleichbar mit der Erörterung und Abstimmung über einen Restrukturierungs- oder einen Insolvenzplan. In allen Fällen sind die wesentlichen Stakeholder eines Unternehmens berufen, sich über die aktuelle Situation und ihre Optionen zu informieren und ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.10.2021 14:43
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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