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OLG Köln v. 20.5.2021 - 18 AktG 1/21

Keine Aussetzung des Freigabeverfahrens gegen Bestätigungsbeschluss

Das Freigabeverfahren ist auch bei Bestätigungsbeschlüssen i.S.d. § 244 AktG statthaft. Die in § 319 Abs. 6 AktG idF des ARUG v. 30.7.2009 vorgesehene Eingangszuständigkeit des OLG und die Unanfechtbarkeit der Entscheidung sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung verletzt insbesondere nicht Art. 19 Abs. 4 GG.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist eine nicht börsennotierte AG. Nach § 3 Ziffer 1 ihrer Satzung ist das Grundkapital, das 736.260 € beträgt, in 14.400 auf den Inhaber lautende Stückaktien eingeteilt, von denen die Hauptaktionärin - die A-GmbH - 14.335 Aktien hält. Die restlichen Aktien verteilen sich auf Minderheitsaktionäre, darunter die Antragsgegner, die weder einzeln noch zusammen mindestens 20 Aktien halten.

Am 11.8.2006 war in einer ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin mit 14.335 Ja-Stimmen gegen 24 Nein-Stimmen der Beschluss gefasst worden, die Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin zu übertragen („Übertragungsbeschluss“). Die Übertragung sollte gegen Gewährung einer Barabfindung i.H.v. 3.715,48 € je auf den Inhaber lautende Stückaktie erfolgen. Gegen den Beschluss haben die Antragsgegner im September 2006 beim LG Aachen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben. Außerdem beantragten sie die Feststellung, dass der Beschluss nicht mit der erforderlichen Mehrheit der Stimmen gefasst worden sei.

Nach Erlass eines Auflagen- und Beweisbeschlusses vom 9.2.2007 hat das LG auf übereinstimmenden Antrag der Parteien wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen mit Beschluss vom 23.3.2007 das Verfahren zum Ruhen gebracht. Entsprechend verhält es sich für ein durch die Antragstellerin mit Antrag vom 21.11.2006 beim LG Aachen eingeleitetes Freigabeverfahren nach § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 AktG aF. Dort hat eine Antragsgegnerin des vorliegenden Verfahrens im Februar 2021 die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt.

In einer am 18.11.2020 virtuell abgehaltenen ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin wurde unter dem Tagesordnungspunkt 6 mit 14.335 Ja-Stimmen gegen 16 Nein-Stimmen der Beschluss gefasst, dass die Beschlüsse aus 2006 umgesetzt werden („Bestätigungsbeschluss“). Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegner im Dezember 2020 beim LG Köln Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben. Es sei zu berücksichtigen, dass das 2006 vor dem LG Aachen eingeleitete und im März 2007 zum Ruhen gebrachte Freigabeverfahren noch auf zwei Rechtszüge angelegt gewesen sei und kein Bagatellquorum gekannt habe.

Eine Antragsgegnerin beantragte, das vorliegende Verfahren auszusetzen, bis über das Freigabeverfahren des Ausgangsbeschlusses beim LG Aachen gem. § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 AktG rechtskräftig entschieden worden ist. Das OLG hat den Antrag zurückgewiesen.

Die Gründe:
Es wird festgestellt, dass die Erhebung der beim LG Köln anhängigen Klagen der Antragsgegner gegen den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 18.11.2020 über die Bestätigung des von der Hauptversammlung 2006 beschlossenen Beschlusses zur Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die A-GmbH gegen Barabfindung (sog. „Squeeze-out") der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister nicht entgegen steht.

Bei Verfahren, deren Art einen Stillstand des Verfahrens verbietet, kommt eine Aussetzung nach § 148 Abs. 1 ZPO nicht in Betracht, weshalb sich in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Verfahrensaussetzung grundsätzlich verbietet. Entsprechend verhält es sich für das Freigabeverfahren, dessen Beschleunigung das erklärte Ziel des Gesetzgebers war, was in der Regelung des § 319 Abs. 6 AktG vielfältig zum Ausdruck kommt. Die begehrte Verfahrensaussetzung ist mit dem Wesen des Freigabeantrags insbesondere dann nicht vereinbar, wenn der - wie hier - nachweislich fehlende Mindestanteilsbesitz (vgl. § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG) eine Freigabeentscheidung ohne inhaltliche Prüfung des Sachvortrags der Minderheitsaktionäre rechtfertigt.

Das Freigabeverfahren ist auch bei Bestätigungsbeschlüssen i.S.d. § 244 AktG statthaft. Die in § 319 Abs. 6 AktG idF des ARUG v. 30.7.2009 vorgesehene Eingangszuständigkeit des OLG und die Unanfechtbarkeit der Entscheidung sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung verletzt insbesondere nicht Art. 19 Abs. 4 GG. Dieser garantiert einen effektiven Rechtsschutz, gewährleistet jedoch keinen Instanzenzug.

Der Gesichtspunkt der Angemessenheit der Höhe der Barabfindung nach § 327b AktG hat bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Freigabeantrags i.S.v. § 327e Abs. 2 i.V.m. § 319 Abs. 6 AktG außer Betracht zu bleiben. Die Ermittlung des durch § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG vorgegebenen Mindestquorums stellt auf den anteiligen Nennbetrag am Grundkapital ab. § 319 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 AktG ist nicht verfassungswidrig.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.10.2021 15:59
Quelle: Justiz NRW

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