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LG Frankfurt a.M. v. 29.9.2021 - 2-27 O 328/20

West LB: Bad Bank haftet für Steuerschulden aus Cum-Ex-Geschäften

Die Nachfolgerin der WestLB kann gegen die Abwicklungsanstalt der Bank (Bad Bank) die Übernahme von Steuerschulden von rd. 1 Mrd. € aus sog. Cum-Ex-Geschäften verlangen. Die Übernahme der streitigen steuerlichen Risikopositionen durch die Bad Bank war gewollt, weil die Cum-Ex-Geschäfte als Teil des Kapitalmarktgeschäfts nicht strategienotwendig für die WestLB waren. Ein Schaden der Beklagten ist wegen der alternativlosen Zerschlagung der WestLB nicht feststellbar.

Der Sachverhalt:
Die Parteien sind aus der WestLB hervorgegangen, nachdem diese infolge der Finanzkrise 2007 und 2008 in Schieflage geraten und ab 2012 abgewickelt worden war. Die Klägerin ist die verbliebene Restgesellschaft in alleiniger Hand des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte ist eine Abwicklungsanstalt innerhalb der dem Bundesfinanzministerium unterstellten Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (sog. „Bad Bank“), an der die vormaligen Aktionäre der WestLB beteiligt sind. Zunächst sollte die Beklagte ausgewählte toxische Portfolioteile der WestLB übernehmen, später im Rahmen der Bankenabwicklung auch weitere Risikopositionen sowie nichtstrategienotwendige Unternehmensbereiche, darunter das Kapitalmarktgeschäft.

2016 wurden Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Vorstände der WestLB wegen Aktiengeschäften um den jeweiligen Dividendenstichtag eingeleitet (sog. „Cum-Ex-Geschäfte“), um die Frage zu klären, ob Kapitalertragssteuer auf Dividendenzulagen zu Unrecht auf eine Körperschaftssteuerschuld der WestLB angerechnet wurde . Mit Bescheiden aus 2019 und 2020 forderte das Finanzamt von der Klägerin die Rückerstattung erstatteter Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen für die Jahre 2005 bis 2008 i.H.v. rd. 1 Mrd. €.Die Klägerin begehrt die Übernahme der Steuerschulden durch die Beklagte.

Das LG gab der Klage statt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Beklagte hat für die Steuerschulden einzustehen.

Zwar wurden die betreffenden Steuerverbindlichkeiten im Rahmen der Abwicklung der WestLB nicht ausdrücklich der Beklagten zugewiesen. Eine Auslegung der Vertragswerke und der Erklärungen der Parteien ergibt aber, dass die Übernahme der streitigen steuerlichen Risikopositionen durch die Beklagte gewollt war. Obwohl den Beteiligten bewusst war, dass es bekannte und unbekannte Steuerverbindlichkeiten gab, haben sie eine Bewertung und Regelung aller steuerlichen Risiken nicht vorgenommen. Die Beklagte sollte aber nach der ausdrücklichen allgemeinen Regelung im Vertragswerk Risikopositionen dann übernehmen, wenn sie einem nichtstrategienotwendigen Unternehmensbereich zuzuordnen waren. Das Kapitalmarktgeschäft war nicht strategienotwendig für die WestLB und die Cum-Ex-Geschäfte als Grundlage der Steuerforderungen waren unzweifelhaft dem Kapitalmarktgeschäft anzusiedeln.

Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Klägerin im Jahr 2012 bei der Zerschlagung der WestLB nicht über die Cum-Ex-Geschäfte der Vergangenheit aufgeklärt hat. Denn auch wenn die Klägerin ihre Aufklärungspflichten verletzt hat, ist ein Schaden der Beklagten nicht feststellbar. Da die Zerschlagung der WestLB alternativlos war, wären die steuerlichen Risiken aller Voraussicht nach auch dann auf die Beklagte übertragen worden, wenn über die Cum-Ex-Geschäfte gesprochen worden wäre. Außerdem waren die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seinerzeit noch nicht bekannt und die seit Jahren von verschiedenen Akteuren praktizierten Cum-Ex-Geschäfte wurden steuer- und strafrechtlich überwiegend als nicht kritisch angesehen. Deswegen ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte einen größeren Eigenkapitalstock erhalten hätte, wenn die Cum-Ex-Geschäfte offengelegt worden wären.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.10.2021 11:37
Quelle: LG Frankfurt a.M. PM vom 29.9.2021

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