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Das Effektengirosystem und die Kreditsicherung mit Wertpapieren (Huber, ZIP 2021, 1573)

Die geplante Einführung elektronischer Schuldverschreibungen, für die wesentlich auf die rechtlichen Konstrukte des bestehenden Effektengirosystems zurückgegriffen wird, gibt Anlass, dessen Grundlagen und die damit in Zusammenhang stehenden Meinungen zu erörtern. Ein funktionierendes Effektengirosystem ist für das Wirtschaftssystem von grundlegender Bedeutung, nicht zuletzt zur Besicherung von (nicht nur geldpolitischen) Krediten. Rechtlicher Dreh- und Angelpunkt des Effektengirosystems ist der Begriff des mittelbaren (Mit-)Besitzes, den der folgende Beitrag im Kontext der Verwahrung von Wertpapieren und der Verwertung von Wertpapiersicherheiten im Insolvenzfall näher beleuchten wird.


I. Einführung

II. Verwahrung von Wertpapieren und mittelbarer Besitz

1. Grundsätzliches

2. Streifbandverwahrung und Sammelverwahrung

3. Drittverwahrung

4. (Dauer-)Globalurkunden

5. Wertrechte: Bundeswertpapiere und elektronische Schuldverschreibungen

6. Besitz an Wertpapiersammelbeständen und Globalurkunden

III. Übereignung und

Verpfändung von Wertpapieren

1. Übereignung von Wertpapieren

2. Praktische Aspekte

3. Depotrechtliche Sondervorschriften und Vorschriften der CSDR

4. Verpfändung von Wertpapieren

IV. Verwertung von Wertpapiersicherheiten im Rahmen eines Insolvenzverfahrens

V. Praxisbeispiel: Die Besicherung des Notenbankkredits

VI. Zusammenfassung


I. Einführung

Im März 2019 haben das BMF und das BMJV in einem Eckpunktepapier die Einführung elektronischer Wertpapiere zur Diskussion gestellt. Dabei wurden zwei mögliche Lösungsansätze erwogen: Zum einen könnten nach dem Vorbild des Bundesschuldenwesengesetzes elektronische Wertpapiere kraft gesetzlicher Fiktion zur Sache erklärt werden, zum anderen könnten nach dem Vorbild des schweizerischen Bucheffektengesetzes elektronische Wertpapiere zu einem neuen Recht sui generis gemacht werden. Im August 2020 und Dezember 2020 folgten dann Referentenentwurf und Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Einführung elektronischer Wertpapiere. Der Entwurf wurde zwischenzeitlich in den Bundestag eingebracht und verabschiedet. Das eWpG ist zusammen mit einigen Änderungen unter anderem im Depotgesetz zum 10. 6. 2021 in Kraft getreten.

Das Gesetz, das sich auf die Einführung elektronischer Schuldverschreibungen beschränkt (§ 1 eWpG), hat sich dabei für die Variante der sachenrechtlichen Fiktion entschieden (§ 2 Abs. 3 eWpG). Dabei gelten elektronische Wertpapiere in sog. Sammeleintragung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 eWpG) als Wertpapiersammelbestand, und die Berechtigten gelten als Miteigentümer nach Bruchteilen am elektronischen Wertpapier (§ 9 Abs. 1 eWpG). Damit wird für die „Verwahrung“ elektronischer Wertpapiere im Wesentlichen auf die rechtlichen Konstrukte des etablierten Effektengirosystems zurückgegriffen (siehe auch § 9b DepotG n. F.). Dies gibt Anlass dazu, dessen rechtliche Prinzipien sowie einige damit in Beziehung stehende Streitfragen zu erörtern. Die geplanten Neuerungen wurden in dieser Zeitschrift und auch anderswo bereits ausführlich dargestellt.

Die rechtliche (und natürlich auch die tatsächliche) Funktionsfähigkeit des Effektengirosystems ist von essentieller Bedeutung für das Wirtschaftsleben. Nicht zuletzt stellen Wertpapiere eine bedeutende Art von Sicherheiten dar. Das gilt insbesondere für die Besicherung geldpolitischer Kredite (siehe Abschnitt V): Zur Sicherung der Preisstabilität (Art. 127 Abs. 1 Satz 1 AEUV, Art. 139 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. c) AEUV) führen die Zentralbanken des Eurosystems (bestehend aus der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken derjenigen EU-Mitgliedsstaaten, deren Währung der Euro ist) verschiedene Arten von geldpolitischen Geschäften mit Kreditinstituten als den sog. geldpolitischen Geschäftspartnern durch, die über den sog. geldpolitischen Transmissionsmechanismus auf das Preisniveau wirken. Zu ihnen gehören die Offenmarktkredite und die Übernachtkredite (Leitlinie (EU) 2015/510, Tabelle 1), die in Deutschland beide in der rechtlichen Gestalt eines Darlehens gewährt werden. Beide werden zur Reduzierung des Adressenausfallrisikos nur gegen Besicherung gewährt (Art. 18.1, 2. SpStrich EZB-Satzung, § 19 Nr. 1 Halbs. 1 BBankG). Als Sicherheiten nimmt die Deutsche Bundesbank u. a. Wertpapiere zum Pfand sowie Kreditforderungen der Geschäftspartner im Wege der Sicherungsabtretung herein (Abschnitt V Nr. 3 (1) Satz 1 AGB/BBk). Zum Ende des ersten Quartals 2021 waren bei der Deutschen Bundesbank Sicherheiten mit einem Beleihungswert von 565.299 Mio. € eingereicht, davon waren 463.779 Mio. € marktfähige Sicherheiten (also verschiedene Arten von Wertpapieren).

Das Effektengirosystem ist in Deutschland (für im Inland verwahrte Wertpapiere 10 ) sachenrechtlich ausgestaltet (siehe Abschnitt II) und beruht wesentlich auf dem Konstrukt des mittelbaren Besitzes, was allerdings nicht unumstritten ist (siehe Abschnitt II 6). Andere Lösungsansätze, etwa ein schuldrechtlicher Treuhandansatz, wie er insbesondere von Einsele 11 propagiert wird, konnten sich nicht durchsetzen. Der Besitz spielt zumindest im Ausgangspunkt auch eine zentrale Rolle bei der Frage, wer im Insolvenzfall das Verwertungsrecht an verpfändeten girosammelverwahrten Wertpapieren hat, was ebenfalls umstritten ist (siehe Abschnitt IV).

II. Verwahrung von Wertpapieren und mittelbarer Besitz

1. Grundsätzliches


Von besonderer Bedeutung bei der Kreditsicherung mittels Verpfändung von Wertpapieren sind naturgemäß die Effekten (Kapitalmarktpapiere). Insbesondere kommen zur Besicherung des Notenbankkredits mittels Wertpapieren nur kapitalmarktfähige Wertpapiere in Betracht (Art. 68 Abs. 1 LL (EU) 2015/510).

In der Regel werden Kapitalmarktpapiere nicht von den jeweiligen Inhabern selbst verwahrt, sondern (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.08.2021 13:25
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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