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OLG Frankfurt a.M. v. 13.7.2021 - 6 W 43/21

Heilmittelwerbung mit Studien: Fachinformation ist keine ausreichende Fundstellenangabe

Den Anforderungen des § 6 HWG ist nicht genüge getan, wenn mit den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie unter Angabe der Fachinformation als Fundstelle geworben wird. Der Schutzzweck der Norm ist vielmehr nur dann erfüllt, wenn die unmittelbare Fundstelle angegeben wird.

Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Eilverfahren über Werbeaussagen der Antragsgegnerin zu dem Arzneimittel Efluelda auf der Webseite der Antragsgegnerin.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Influenza-Impfstoffe für Personen ab 60 Jahren. Der streitgegenständliche Efluelda-Impfstoff der Antragsgegnerin ist ein Hochdosis-Impfstoff, der einen vielfach höheren Antigengehalt aufweist. Dies dient dem Zweck, bei der angesprochenen Altersgruppe der über 60-Jährigen einen besseren Immunschutz zu erreichen.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen einer Werbung ohne Angabe von Fundstellen in Anspruch. In der angegriffenen Werbeanzeige war auf „eine randomisiert kontrollierte Studie über zwei Influenza-Saisons in den USA und Kanada“ Bezug genommen worden, ohne dass dazu eine Fundstelle angegeben worden wäre.

Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtet auf das Verbot der konkreten Werbung zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Unterlassung hinsichtlich der fehlenden Quellenangabe bestehe nicht, da die Bezugnahme auf die aktuellen Fachinformationen keinen Verstoß gegen § 6 Heilmittelwerbegesetz (HWG) begründe.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vor dem OLG hatte Erfolg. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. § 6 Nr. 1 HWG zu, da die Antragsgegnerin entgegen § 6 Nr. 1 HWG auf eine wissenschaftliche Veröffentlichung Bezug genommen hat, ohne die Fundstelle zu nennen.

§ 6 HWG sieht zum Ausgleich für die erhöhte Glaubwürdigkeit, die Gutachten oder Zeugnissen zukommt, für Gutachtenwerbung bestimmte formale Voraussetzungen vor: Die Angaben müssen so beschaffen sein, dass damit die Veröffentlichung ohne Weiteres aufgefunden und besorgt werden kann. Verlangt ist dabei die unmittelbare Angabe der in § 6 HWG aufgeführten Daten, also dass die Veröffentlichung und die Fundstelle genannt werden.

Bei den von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Informationen handelt es sich um Gutachten bzw. Zeugnisse im Sinne von § 6 Nr. 1 HWG.

Die in Bezug genommene Information ist nicht die Fachinformation. Hiervon scheint das LG auszugehen, wenn es im Nichtabhilfebeschluss ausführt, dass § 6 HWG auf den Verweis auf Fachinformationen nicht anwendbar sei und diese auch nicht verbiete. Die angegriffenen Textstellen werben indes nicht mir der Fachinformation, sondern mit dem Ergebnis von konkret benannten Studien, zu deren Beleg auf die Fachinformation Bezug genommen wird.

Klinischen Studien, Feldstudien oder Compliance-Studien fallen in den Anwendungsbereich des § 6 Nr. 1 HWG, ohne dass es einer abschließenden Prüfung bedürfte, ob sie Gutachtencharakter haben, da die werbliche Verwertung der dort getätigten Beobachtungen bzw. dort gewonnenen Ergebnisse auf jeden Fall Zeugnischarakter haben.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.08.2021 11:37
Quelle: Justiz Hessen online

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