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VG Frankfurt a.M. v. 24.6.2021 - 7 K 2237/20.F

BaFin durfte Negativzinsen nicht untersagen

Das VG Frankfurt a.M. hat eine Untersagungsverfügung der BaFin aufgehoben, mit der diese einer Bank untersagt hatte, Negativzinsen auf „Cash-Konten“ bei ihren Bestandkunden zu erheben.

Der Sachverhalt:
Die BaFin hatte gestützt auf § 4 Abs. 1 a S. 2 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) der Klägerin - einer Bank, deren geschäftlicher Schwerpunkt auf der Vermittlung von Wertpapiergeschäften als „online-Broker“ liegt - untersagt, Negativzinsen auf „Cash-Konten“ bei ihren Bestandkunden zu erheben. Die Geschäfte werden so abgewickelt, dass die Kunden zunächst auf für sie von der Klägerin eingerichteten Geld- bzw. „Cash“ Konten Gelder zu dem Zweck der Wertpapierkäufe einzahlen. Im Fall von Wertpapierverkäufen wird der Erlös durch die Klägerin auf das Cash-Konto gebucht. Anderweitiger Zahlungsverkehr findet über diese Konten nicht statt.

Die Klägerin teilte im März 2017 ihren etwa 180.000 Bestandskunden mit, dass sie sich gezwungen sehe, ab dem 15.3.2017 Negativzinsen von derzeit 0,4 % p.a. zu berechnen. Daraufhin erließ die Beklagte die hier angefochtene Verfügung. Sie stützt diese auf die Vorschrift des § 4 Abs. 1 a S. 2 FinDAG. Danach wird sie ermächtigt, Anordnungen zu treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint.

Die gegen diese Verfügung erhobene Klage war nun erfolgreich. Das VG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig; die Berufung wurde zugelassen.

Die Gründe:
§ 4 Abs. 1 a FinDAG gibt der BaFin eine eigenständige Befugnis, um Belange des Verbraucherschutzes aufsichtsrechtlich durchzusetzen. Es fehlt jedoch an der zwingenden gesetzlichen Voraussetzung für ein aufsichtsbehördliches Einschreiten, dass nämlich eine generelle Klärung durch die BaFin i.S.d. Verbraucherschutzes geboten erscheinen muss. Die den Handlungsbereich der BaFin einschränkende Regelung des § 4 Abs. 1a S.2 FinDAG wird nicht allein durch die Feststellung eines Missstandes erfüllt.

Verbraucherschutzrelevante Fragen werden traditionsgemäß vorrangig vor den Zivilgerichten im ordentlichen Rechtsweg abgehandelt und die BaFin darf nur dann aufsichtsrechtlich agieren, wenn gerade eine generelle Klärung durch die sie geboten erscheint. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn nicht schon im ordentlichen Rechtsweg den Belangen des Verbraucherschutzes in hinreichender Weise genüge getan wird. Da im vorliegenden Fall bereits mehrere Verfahren im Hinblick auf die Erhebung von Negativzinsen und die Änderungen der AGB der Banken und Sparkassen vor den Obergerichten und dem BGH anhängig waren und sich der BGH darüber hinaus im April 2021 in mehreren Entscheidungen zur Wirksamkeit der Änderungen der AGB der Banken und Sparkassen geäußert hat, ist ein aufsichtsbehördliches Handeln der Beklagte nicht mehr geboten gewesen.

Der Gesetzgeber hat in der Begründung zu § 4 Abs. 1 a FinDAG zum Ausdruck gebracht, dass verbraucherschutzrelevante Umstände zunächst vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit aufgrund ihrer Sachnähe abzuhandeln sind und ein Einschreiten der Beklagten nur subsidiär ist. Erst dann, wenn aufgrund vorangegangener höchstrichterlicher Entscheidungen zur Frage der Wirksamkeit vertraglicher Änderungen bei der Festlegung von Negativzinsen auf der Grundlage der AGB der Banken und Sparkassen die einzelnen Banken den Handlungspflichten nicht nachkommen, kann darin ein Missstand i.S.d. § 4 Abs. 1 a S. 2, S. 3 FinDAG vorliegen, der eine generelle Klärung durch die BaFin geboten erscheinen lässt. Dies konnte im vorliegenden Fall jedoch nicht angenommen werden.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.07.2021 12:03
Quelle: VG Frankfurt a.M. PM Nr. 21 vom 6.7.2021

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