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Eine Krise - Ein Verfahren! - Folgen eines vorangegangenen Restrukturierungsverfahrens nach StaRUG in der späteren Insolvenz (Hölzle/Curtze, ZIP 2021, 1293)

Mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen eröffnet das StaRUG ein neues Sanierungsinstrumentarium, das systematisch zwischen der freien, außergerichtlichen Sanierung und dem Insolvenzverfahren angesiedelt ist. Der Zugang zum Verfahren ist erst mit Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 18 InsO eröffnet, also in einem Krisenstadium, in dem die vollständige Befriedigung der Gläubiger definitionsgemäß bereits konkret gefährdet und alternativ auch die Stellung eines Insolvenzantrages möglich ist. Der Schuldner entscheidet daher nach den sich aus seiner Sicht darstellenden Opportunitäten für das eine oder das andere Verfahren. Für die präventive Restrukturierung mag dabei nicht zuletzt die ähnlich der außergerichtlichen, freien Sanierung weitgehende Schuldnerautonomie sprechen. Zwar ist der Schuldner auch in der präventiven Restrukturierung verpflichtet, im Verfahren die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren (§ 32 Abs. 1 Satz 1 StaRUG), Kontrolle und Eingriffsbefugnisse von Restrukturierungsgericht und –beauftragtem bleiben aber deutlich hinter der Eingriffsintensität des Insolvenzverfahrens, auch in der Eigenverwaltung, zurück. Gleichzeit ermöglicht der Restrukturierungsplan ähnlich dem Insolvenzplan verbindliche Kollektiventscheidungen auch gegen den Widerstand obstruierender Minderheiten. Außerdem ist die präventive Restrukturierung im Gegensatz zum Insolvenzverfahren nur teilkollektiv ausgestaltet, d.h. es ist in den Grenzen des § 8 StaRUG möglich, ganze Gläubigergruppen (z. B. Lieferanten) von dem Verfahren unbehelligt zu lassen. Im Erfolgsfall wird durch den Einsatz der Instrumente des Restrukturierungsrahmens die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt und der Schuldner nachhaltig saniert. Doch was, wenn dies nicht gelingt? Der Einbettung des präventiven Restrukturierungsverfahrens in die deutsche Sanierungslandschaft liegt der Gedanke „Eine Krise – ein Verfahren!“ zugrunde. Kommt es zu einer Folgeinsolvenz, ist sowohl deren verfahrensmäßige als auch materiell-rechtliche Abwicklung durch das vorangegangene Restrukturierungsverfahren beeinflusst. Dem widmet sich dieser Beitrag.

I.  Einführung
II.  Fallkonstellationen der Folgeinsolvenz
III.  Verfahrensrechtliche Folgen

1.  Örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts
2.  Personelle Kontinuität zwischen Restrukturierungsrahmen und Insolvenzverfahren
2.1  Bestellung des ehemaligen Restrukturierungsbeauftragten oder Sanierungsmoderators zum Insolvenzverwalter oder Sachwalter
2.2  Ehemaliger Chief Restructuring Officer als Chief Insolvency Officer
2.3  Identität von Gläubigerbeirat und (vorläufigem) Gläubigerausschuss
3.  Folgen für einen Antrag auf Eigenverwaltung
IV.  Anfechtungs- und haftungsrechtliche Rechtsfolgen
1.  Haftungsrechtliche Verantwortung der Geschäftsleiter in der Folgeinsolvenz
1.1  Haftung wegen Verletzung der Anzeigepflicht nach § 42 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 3 StaRUG
1.2  Haftung wegen Verstoß gegen Zahlungsverbote
1.3  Haftung nach § 43 StaRUG
2.  Anfechtungs- und haftungsrechtliche Sanktionen gegen Gläubiger wegen Rechtshandlungen während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache, § 89 StaRUG
3.  Besonderer anfechtungsrechtlicher Schutz des gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplans, § 90 StaRUG
3.1  Geschützte Rechtshandlungen
3.2  Angemessenheitskontrolle
3.3  Bestätigung aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben
3.4  Schutz nur innerhalb derselben Krise
3.5  Besondere Anforderungen bei Übertragung wesentlicher Vermögensteile
3.5.1  Übertragung des gesamten schuldnerischen Vermögens oder wesentlicher Teile davon
3.5.2  Angemessene Gegenleistung
3.5.3  Sicherstellung der vorrangigen Befriedigung der nicht planbetroffenen Gläubiger
V.  Ergebnis


I.  Einführung

Wird der Schuldner während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder nach Bestätigung des Restrukturierungsplans materiell insolvent, also zahlungsunfähig (§ 17 InsO) oder – auch unter Berücksichtigung des möglicherweise noch laufenden Restrukturierungsverfahrens – mangels Fortbestehensprognose überschuldet (§ 19 InsO), so schließt sich regelmäßig ) ein Insolvenzverfahren an. Dieses bietet in geeigneten Fällen die Möglichkeit, die Sanierung mit dem umfangreicheren Werkzeugkoffer insolvenzrechtlicher Institutionen fortzuführen, aber es dient zugleich auch der anfechtungs- und haftungsrechtlichen Aufarbeitung des vorgeschalteten Restrukturierungsverfahrens. Es stehen deshalb naturgemäß auch diejenigen Maßnahmen auf dem Prüfstand, die während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache oder in Umsetzung eines Restrukturierungsplans vorgenommen wurden. Da eine jede Sanierung ex ante auch das Risiko mit sich bringt zu scheitern, sind die für diesen Fall zu besorgenden Rechtsfolgen schon im Rahmen der Opportunitätsbetrachtung der Beteiligten und der Entscheidungsfindung über die Zustimmung zu geforderten Sanierungsbeiträgen von erheblicher Bedeutung.

Maßstab für die Beurteilung sämtlicher, während oder nach Rechtshängigkeit einer Restrukturierungssache oder in Umsetzung eines Restrukturierungsplans vorgenommenen Maßnahmen ist im Ausgangspunkt zunächst die von dem Grundsatz der gesamtkollektiven Gläubigergleichbehandlung bestimmte, insolvenzrechtliche Verfahrens- und Verteilungsordnung einschließlich des sie flankierenden Anfechtungs- und Haftungsregimes. Allerdings wirkt das StaRUG an verschiedenen Stellen auf die insolvenzrechtlichen Grundsätze, zum Teil deklaratorisch, zum Teil konstitutiv und zum Teil auch ohne ausdrückliche Kodifizierung ein. Zunächst sieht der Gesetzgeber, um die Beteiligungsbereitschaft betroffener Gläubiger an der frühzeitigen Sanierung unter dem präventiven Restrukturierungsrahmen zu fördern, Privilegierungen für bestimmte Maßnahmen vor, die aus der ex ante Perspektive dem Erreichen der nachhaltigen Wiederherstellung der Bestandsfähigkeit des Schuldners (vgl. § 14 Abs. 1 StaRUG) dienten. So bietet die Umsetzung von Sanierungsbeiträgen in Vollzug eines gerichtlich bestätigten Restrukturierungsplans für die Beteiligten deutlich mehr Rechtssicherheit betreffend eine spätere Insolvenzanfechtung, als sie im Rahmen einer freien Sanierung auch auf Grundlage eines Sanierungsgutachtens (IDW S6) erreichbar ist. Andererseits will der Gesetzgeber einer `trial-and-error´-Mentalität des Schuldners und der Entwicklung von Sanierungskaskaden vorbauen, in denen der Schuldner es zunächst mit dem minimalinvasivsten Verfahren versucht und seine Bereitschaft zu eigenen Zugeständnissen und der Hinnahme von im Gläubigerinteresse gebotenen Eingriffen nur schrittweise steigert. Zu Recht beschränkt der Gesetzgeber daher den Zugang zur Eigenverwaltung für solche Schuldner, die im Rahmen der Krisenbewältigung bereits Stabilisierungsinstrumente in Anspruch genommen haben.

Außerdem stellt sich die Frage, inwieweit die Übernahme von Funktionen bereits im Restrukturierungsverfahren Beteiligte für eine Rolle auch in einer späteren (eigenverwalteten) Insolvenz sperrt.

II.  Fallkonstellationen der Folgeinsolvenz
Für die Beurteilung der Folgen eines dem StaRUG-Verfahren nachfolgenden Insolvenzverfahrens sind zunächst zwei Grundkonstellationen zu unterscheiden:

Zunächst kann die Restrukturierungssache selbst scheitern, weil z. B. während ihrer Rechtshängigkeit Insolvenzreife eintritt oder die erforderlichen Mehrheiten für die Zustimmung zum Restrukturierungsplan nicht zu erlangen sind. Zwar ist die Insolvenzantragspflicht aus § 15a InsO während der Rechtshängigkeit der Restrukturierungssache (§ 31 Abs. 3 StaRUG) gem. § 42 Abs. 1 Satz 1 StaRUG suspendiert. Allerdings tritt an deren Stelle gem. § 32 Abs. 3, § 42 Abs. 1 Satz 2 StaRUG eine inhaltsgleiche und ebenfalls strafbewährte Anzeigepflicht gegenüber dem Restrukturierungsgericht. Die Anzeige des Eintritts von Insolvenzgründen hat gem. § 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG die grundsätzliche Aufhebung der Restrukturierungssache zur Folge, womit sodann ...

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.07.2021 11:17
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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