Logo Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln

Aktuell in der ZIP

Das StaRUG aus schuldverschreibungsrechtlicher Sicht (Lürken, ZIP 2021, 1305)

Mit Einführung des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) am 1.1.2021 wurde ein neues Verfahren zur Restrukturierung von Verbindlichkeiten eingeführt, das auch Schuldverschreibungen erfassen kann und damit neben die bestehenden Möglichkeiten zur Anleiherestrukturierung durch Mehrheitsbeschluss nach § 5 Abs. 3 SchVG tritt. Die beiden Gesetze werden durch den ebenfalls neu eingeführten § 19 Abs. 6 SchVG verzahnt. Der Beitrag untersucht einige der dadurch wie schon bei der Verzahnung zwischen InsO und SchVG, aber auch neu aufgeworfenen, Probleme.

I.  Einleitung
II.  Übersicht über das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG
III.  Kündigung von Anleihen wegen Ankündigung eines Restrukturierungsverfahrens

1.  Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314 BGB)
2.  Kündigungsgründe in Anleihebedingungen
IV.  Restrukturierungsplan auch ohne Opt-In in Anleihebedingungen?
V.  Problem der rationalen Apathie von Anleihegläubigern
VI.  Einberufung einer Anleihegläubigerversammlung zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters

1.  Einberufungspflicht auch ohne Opt-In?
2.  Konzept der „Versammlung in der Versammlung“
3.  Person des Einberufenden
4.  Zuständigkeit
5.  Zeitpunkt der Einberufung
6.  Bekanntmachung der Einberufung
7.  Verfahrensvorschriften
7.1  Quorum und Mehrheiten
7.1.1  Bestellungsbeschluss
7.1.2  Ermächtigungsbeschluss
7.2  Rechtsmittel
7.3  Möglichkeit weiterer Anleihegläubigerversammlungen
7.4  Vergütung
VII.  Behandlung der Anleihe im Restrukturierungsplan
1.  Gruppenbildung und Gleichbehandlungsgebot (§ 19 Abs. 4 SchVG; § 10 Abs. 1 StaRUG)
2.  Gruppeninterne Drittsicherheiten (§ 22 SchVG; § 9 Abs. 1 Satz 3 StaRUG)
VIII.  Vollzug von Änderungen in Anleihebedingungen
IX.  Zusammenfassung und Ergebnisse


I.  Einleitung

Am 1.1.2021 ist das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) in Kraft getreten. Das Artikelgesetz sieht in Art. 1 die Einführung eines Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) vor, welches der Umsetzung der RL (EU) 1023/2019 vom 20. 6. 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen dient.

Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen soll es Unternehmen ermöglichen, zu einem Zeitpunkt vor Eintritt von Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO) – aber auch erst bei Vorliegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) – mit seinen Gläubigern eine Restrukturierung über einen ggf. von sog. Stabilisierungsinstrumenten flankierten mehrheitlich getragenen Restrukturierungsplan zu vereinbaren und ggf. auch gerichtlich bestätigen zu lassen. Im Restrukturierungsplan können neben Forderungen und Sicherheiten auch Nebenbestimmungen bestimmter Schuldverhältnisse, darunter Schuldtitel i. S. d. 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG, umgestaltet werden (§ 2 Abs. 1, 2 StaRUG). Daneben führt das SanInsFoG auch zahlreiche Änderungen an der InsO sowie das StaRUG flankierende Gesetzesergänzungen ein, z. B. im GVG, InsVV, RVG u. a. Eine das SchVG ergänzende Regelung findet sich in Art. 18 SanInsFoG, welcher § 19 SchVG folgenden Absatz 6 anfügt:

„(6) Bezieht ein Schuldner Forderungen aus Schuldverschreibungen in ein Instrument des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz ein, gelten die vorstehenden Absätze entsprechend.“

Die zunächst elegant-schlank anmutende Ergänzung wirft eine Reihe von Fragen auf, die sich in anderem Gewand bereits an dem als Schnittstelle zwischen Schuldverschreibungs- und Insolvenzrecht fungierenden § 19 SchVG gestellt und deshalb bereits für zahlreiche fach- und höchstrichterliche Entscheidungen gesorgt haben. Es ist absehbar, dass sich diese, aber auch gänzlich neue Probleme an der Schnittstelle zum StaRUG auftun werden, von denen einige hier angerissen werden sollen.

II.  Übersicht über das Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG
Nach Eintritt drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) kann ein Unternehmen einen Restrukturierungsplan vorstellen, welcher die Umgestaltung von Forderungen, Absonderungsrechten und mehrseitigen Rechtsverhältnissen zum Gegenstand haben kann; umgestaltbar sind auch die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse des Unternehmens. Die sog. Planbetroffenen stimmen in je nach Rechtsstellung eingeteilten Gruppen ab. Wird der Plan nicht von sämtlichen Planbetroffenen angenommen, kann das Unternehmen – nach Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim neugeschaffenen Restrukturierungsgericht – die Bestätigung des Plans beantragen. Das Restrukturierungsgericht wird den Plan bestätigen, wenn er in jeder Gruppe von 75 % der planbetroffenen Gläubiger/Gesellschafter angenommen wird oder die Mehrheit der Gruppen den Plan angenommen hat und bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind (sog. cross-class cram-down). Das Restrukturierungsverfahren ist per se nicht öffentlich; das Unternehmen kann aber beantragen, dass das Restrukturierungsverfahren öffentlich bekannt gemacht wird. Gegen den Beschluss, mit dem das Restrukturierungsgericht den Plan bestätigt, ist die sofortige Beschwerde statthaft.

III.  Kündigung von Anleihen wegen Ankündigung eines Restrukturierungsverfahrens
Eine Vorfrage zur Behandlung von Anleihen im Restrukturierungsverfahren ist, ob Anleihen gekündigt werden können, wenn der Emittent ein Restrukturierungsverfahren einleitet oder dessen Einleitung ankündigt.

1.  Kündigung aus wichtigem Grund (§ 314 BGB)
Anleihen können – zumindest sofern nicht in den Anleihebedingungen Kündigungsgründe abschließend geregelt sind – aus wichtigem Grund gekündigt werden (§ 314 BGB). Nach Inkrafttreten des SchVG stellte sich die Frage, ob ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.06.2021 09:57
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite