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Das Schlechterstellungsverbot gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG in Theorie und Praxis (Distler, ZIP 2021, 1033)

Das neue Sanierungsrecht sieht erstmals die Möglichkeit vor, dass Gläubiger außerhalb der Insolvenz gegen ihren Willen auf Forderungen gegen ein in der Krise befindliches Unternehmen verzichten müssen. Zentrale Bestimmung in diesem Zusammenhang ist das von § 26 StaRUG postulierte Schlechterstellungsverbot. Hiernach ist zu prüfen, ob die Gläubiger durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als ohne Plan. Der vorliegende Beitrag untersucht, wie diese Regelung auszulegen ist und welche Konsequenzen sich hieraus in der Praxis für den Schuldner und die betroffenen Gläubiger ergeben.


I. Einführung

II. Annahme des Restrukturierungsplans durch betroffene Gläubiger

1. Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen

2. Das Mehrheitsprinzip des § 25 StaRUG und die Erweiterung durch § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG

III. Das Schlechterstellungsverbot des § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG im Einzelnen

1. Hintergrund

2. Dreistufige Prüfungsreihenfolge des Schlechterstellungsverbots

IV. Analyse des Restrukturierungsplans

V. Alternativszenario „ohne Plan“

1. Vergleich und Abgrenzung zum Insolvenzplan

2. Vergleichsmaßstab „Restrukturierung ohne Plan“

2.1 Außergerichtliche Sanierung

2.2 Relevanz des Zeitmoments sowie einer drohenden Insolvenz

2.3 Folgen für Finanzgläubiger

2.4 Inkongruenz der Planbetroffenen bei Restrukturierung und Insolvenz

2.5 Nachbesserungsklauseln als Lösung?

VI. Eigentlicher Vergleich: Voraussichtlich keine Schlechterstellung

VII. Ergebnis


I. Einführung

Am 1. 1. 2021 ist nach einem zügigen Gesetzgebungsverfahren und einigen Änderungen in letzter Minute das „Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG“ in Kraft getreten. Kernstück des Ganzen (in Art. 1) ist das „Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz – StaRUG)“; dieses wird in Art. 2 bis 24 ergänzt durch die Änderung von 24 verschiedenen Bundesgesetzen, die die im StaRUG getroffenen Regelungen abrunden. Das StaRUG wiederum stellt ein völliges Novum im deutschen Recht dar: erstmals wird ein Rechtsrahmen geschaffen, der es ermöglicht, eine Sanierung von Unternehmen außerhalb, d. h. im Vorfeld einer Insolvenz, gegen den Willen einzelner Gläubiger bzw. sogar einzelner Gruppen von Gläubigern durchzusetzen. Eine Sanierung im allseitigen Einvernehmen war bisher und wird auch jetzt weiterhin möglich sein, aber darum geht es dem StaRUG nicht: das neue, ja revolutionäre dieses Gesetzes ist die Möglichkeit, einzelne Gläubiger bzw. Gruppen von Gläubigern zu einem (vollständigen oder teilweisen) Verzicht auf Ansprüche zu zwingen, um ein Fortbestehen des Unternehmens zu sichern.

Möglich wird dieser Verzicht dadurch, dass solche Forderungen Teil eines Restrukturierungsplans sind und in diesem „gestaltet“ werden, d. h. die Rechtsstellung der betroffenen Gläubiger wird durch den Plan geändert. Konkret wird in § 7 Abs. 2 StaRUG ausgeführt, was unter dem Stichwort „Gestaltung“ von Restrukturierungsforderungen zu verstehen ist: es geht darum „zu bestimmen, um welchen Bruchteil diese gekürzt, für welchen Zeitraum sie gestundet, wie sie gesichert und welchen sonstigen Regelungen sie unterworfen werden sollen.“ Dass „Gestaltung“ von Forderungen in einem Restrukturierungsplan vor allem Kürzung und Verzicht bedeutet, kann hier nicht überraschen – schließlich ist eine Unternehmenskrise zu überwinden, und eine Krise, die evtl. auf eine Insolvenz des Unternehmens hinausläuft, hat immer im Ergebnis damit zu tun, dass die Summe der Forderungen der Gläubiger im Verhältnis zum Cash Flow (Blickrichtung Liquidität) oder zum Wert des Eigenkapitals (Blickrichtung Überschuldung) zu hoch ist.

Die Reichweite des Restrukturierungsplans ist hierbei weit: er kann grundsätzlich sämtliche Forderungen gegen das zu restrukturierende Unternehmen umfassen (auch wenn sie bedingt oder noch nicht fällig sind, vgl. § 3 StaRUG), Sicherheiten über Vermögensgegenstände des Unternehmens, sowie Anteils- und Mitgliedschafsrechte an dem Unternehmen selbst (vgl. § 2 StaRUG). Eine wichtige und für die weiteren Ausführungen in diesem Beitrag folgenschwere Ausnahme hat der Gesetzgeber allerdings in § 4 Nr. 1 StaRUG vorgesehen. Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, einschließlich der Rechte aus Zusagen auf betriebliche Altersversorgung, sind der Gestaltungsmacht des Plans entzogen.

Der Restrukturierungsplan wird von dem Schuldner selbst und seinen Beratern erstellt, und anschließend den Planbetroffenen, d. h. den Gläubigern und Gesellschaftern, zur Annahme vorgelegt. Gem. § 17 StaRUG hat das an die Planbetroffenen gerichtete Angebot den Plan anzunehmen den „deutlichen Hinweis darauf zu enthalten, dass der Plan im Fall seiner mehrheitlichen Annahme und gerichtlichen Bestätigung auch gegenüber Planbetroffenen wirksam wird, die das Angebot nicht annehmen.“

II. Annahme des Restrukturierungsplans durch betroffene Gläubiger

1. Einteilung der Planbetroffenen in Gruppen


Von zentraler Bedeutung sind die §§ 24 – 28 StaRUG, die die Annahme des Restrukturierungsplans durch die betroffenen Gläubiger im Einzelnen regeln. § 25 Abs. 1 StaRUG stellt hierbei den Grundsatz auf (der von § 26 StaRUG durchbrochen wird, hierzu sogleich), dass es für die Annahme des Restrukturierungsplans erforderlich ist, dass in jeder Gruppe mindestens 75 % der Stimmrechte den Plan annehmen.

Zum Verständnis dieser Regelung muss daran erinnert werden, das (...)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.05.2021 10:26
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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